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Die Wassergenossenschaft als Energiegemeinschaft

Emil Nigmatullin, Kaleb Kitzmüller | 30.06.2021

Wasserkraftwerk | Haslinger / Nagele, Illustration: Karlheinz Wasserbacher
Illustration: Karlheinz Wasserbacher

Mit dem vieldiskutierten EAG-Paket sollen die Bürgerenergiegemeinschaften und Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften („EEG“) in Österreich umgesetzt werden. Eine aktuell – soweit ersichtlich – noch nicht diskutierte Organisationsform solcher Energiegemeinschaften sind die Wassergenossenschaften nach dem WRG 1959. In Österreich gibt es aktuell rund 6000 Wassergenossenschaften, die in ihrem jeweiligen Wirkungsbereich vielfältige wasserwirtschaftliche Aufgaben, wie bspw im Bereich der Trinkwasserversorgung, Abwasserbeseitigung und Bewässerung, übernehmen. Unbestritten ist, dass Wassergenossenschaften auch Wasserkraftanlagen errichten, benutzen und/oder erhalten können. Es stellt sich aber die Frage, ob sie darüber hinaus den auf diese oder sonstige Weise (bspw durch PV-Anlagen) eigens erzeugten Strom „als EEG“ oder allenfalls als „Mitglieder einer EEG“ verbrauchen, speichern und verkaufen können und somit in den Genuss der für die EEG geplanten Vorteile für EEG kommen (bspw Netzkostenvorteile). Hierfür bestehen zumindest einige Anhaltspunkte.

WRG 1959: Zulässigkeit der Gründung (und der Mitgliedschaft an) einer Energiegemeinschaft durch Wassergenossenschaften

Zunächst ist anhand des WRG 1959 zu beleuchten, ob die Gründung (und die Mitgliedschaft an) einer EEG durch Wassergenossenschaften wasserrechtlich zulässig ist. Zusätzlich zu der Zulässigkeit ist zu prüfen, ob die Gründung oder die Mitgliedschaft an einer EEG dem gesetzlich vorgesehenen Zweck einer Wassergenossenschaft entspricht. Nach § 73 Abs 1 WRG 1959 haben Wassergenossenschaften „wasserwirtschaftlich“ bedeutsame Zielsetzungen zu verfolgen. Vom Gesetzgeber wird insbesondere die Errichtung und der Betrieb einer Wasserkraftanlage als wasserwirtschaftlich bedeutsam erachtet. Der OGH bestätigte jüngst, dass der nach dem WRG zulässige Genossenschaftszweck weit auszulegen ist und sich nicht auf die ausdrücklich im WRG und der Genossenschaftssatzung genannten Aufgaben beschränkt.

Demnach können Wassergenossenschaften grundsätzlich Wasserkraftanlagen (für ihre Mitglieder) betreiben und erfüllen damit die Grundvoraussetzung von EEG: Die Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen. Gleichzeitig kann aber auch die Umsetzung, der Betrieb sowie die Mitgliedschaft an einer EEG als „wasserwirtschaftlich“ bedeutsame Zielsetzungen gewertet werden und damit von den im WRG umschriebenen Zwecken umfasst sein.

Wären Wassergenossenschaften als EEG auf Wasserkraft beschränkt?

Denkbar ist, dass die EEG in Form der Wassergenossenschaft neben ihrer wassergenossenschaftlichen „Kernkompetenz“ auch Energie aus anderen erneuerbaren Quellen (= nicht Wasserkraft) erzeugt. Fraglich ist, ob ein solch erweiterter Aufgabenbereich ebenso vom Zweck iSd § 73 WRG 1959 gedeckt sein kann. Dass die Gründung und der Betrieb einer EEG selbst durch eine grundsätzlich „wasserunabhängige“ Erzeugung, Speicherung und Verteilung von Energie aus PV-Anlagen oder sonstigen erneuerbaren Energieträgern eine „wasserwirtschaftlich bedeutsame Zielsetzung“ entfalten kann, ist wohl zu bejahen: Immerhin würde die Wassergenossenschaft damit eine Klimaschutzmaßnahme verfolgen, die sich – zumindest mittelbar – positiv auf das Grundwasser auswirkt. Auch einer Teilnahme an einer Energiegemeinschaft steht nichts entgegen. Schließlich würde die über die EEG bezogene „grüne“ Energie die Klimabilanz der Tätigkeiten der Wassergenossenschaft (bspw bei der Abwasserbeseitigung) steigern, was ebenfalls zu einer Verbesserung des Grundwassers führen würde. Die Erfüllung der in § 73 Abs 1 WRG 1959 enthaltenen Zwecke wird dadurch jedenfalls nicht beeinträchtigt.

Zuständigkeiten bei der Umsetzung von EEG in/durch Wassergenossenschaften

Bedacht werden muss, dass es durch die Umsetzung von Energiegemeinschaften in Form von Wassergenossenschaften zu einer Häufung von Zuständigkeiten kommt. Über die Anerkennung der Wassergenossenschaft bzw die Rechtmäßigkeit von Satzungsänderungen entscheidet die Wasserrechtsbehörde. Dass die Wassergenossenschaft auch als EEG auftreten kann, ist demnach auch von der Entscheidung der Wasserrechtsbehörde abhängig. Gleichzeitig hängt die Frage, ob die EEG nach den EAG-Bestimmungen gefördert wird, von der Entscheidung der EAG-Förderungsabwicklungsstelle ab. Jedenfalls gilt es zu vermeiden, dass etwa gleichzeitig eine EAG-Förderung zugesprochen wird und eine Tätigkeit als Energiegemeinschaft von den Wasserrechtsbehörden untersagt wird.

EAG-Paket: Wassergenossenschaften als mögliche Organisationsform der Energiegemeinschaften

Gem § 79 Abs 2 EAG-RV sind EEG „als Vereine, Genossenschaften, Personen- oder Kapitalgesellschaften oder ähnliche Vereinigungen mit Rechtspersönlichkeit“ zu organisieren. Der Hauptzweck der gewählten Rechtsform darf zudem nicht im finanziellen Gewinn liegen. Zwar hat der Gesetzgeber primär „juristische Personen des Privatrechts“ in der Gesetzesbestimmung als mögliche Organisationsformen aufgezählt. Jedoch erscheint – schon aufgrund der Wendung „oder ähnliche Vereinigungen mit Rechtspersönlichkeit“ – nicht ausgeschlossen zu sein, dass auch juristische Personen des öffentlichen Rechts als Organisationsform von Energiegemeinschaften in Frage kommen, zumal diese Rechtspersönlichkeit besitzen und nach ständiger Rsp des OGH privatrechtliche Vereinbarungen eingehen können. Auch in verfassungskonformer Auslegung kann wohl nichts Anderes gelten, da kein wesentlicher Unterschied im Betrieb einer Energiegemeinschaft durch eine juristische Person des Privatrechts oder jener des öffentlichen Rechts ersichtlich ist.

Sowohl freiwillige als auch verpflichtende Wassergenossenschaften erlangen mit Rechtskraft des Anerkennungsbescheids der Wasserrechtsbehörde als juristische Person des öffentlichen Rechts Rechtspersönlichkeit (sog Körperschaft öffentlichen Rechts). Ihr Hauptzweck liegt nicht in der Gewinnerzielung und sie bringen ihren Mitgliedern nicht nur ökologische, sondern auch wirtschaftliche und sozialgemeinschaftliche Vorteile. Zumindest einer dieser Zwecke ist idR bereits in der Satzung der Wassergenossenschaft festgehalten. Da Energiegemeinschaften nicht zwangsläufig Eigentümer der Erzeugungsanlagen sein müssen, sondern über diese lediglich die Betriebs- und Verfügungsgewalt haben müssen, eignen sich uU auch Wassergenossenschaften, die lediglich den Betrieb von fremden Wasserkraftwerken bzw jenen ihrer Genossenschaftsmitglieder übernehmen. Denkbar ist auch hier der Einsatz von Contracting- und Leasingmodellen.

Im Hinblick auf Genossenschaften mit Beitrittszwang und Zwangsgenossenschaften ist fraglich, ob diese dem Gebot der freien Lieferantenwahl (und dem damit zusammenhängenden Rücktrittsrecht) Rechnung tragen können. Dies ist grundsätzlich wohl zu bejahen, weil sich der Beitrittszwang gerade nicht auf die Stromerzeugung bzw den Stromverbrauch beziehen muss. In diesen Fällen muss jedoch folglich auch die Möglichkeit bestehen, dass die Mitgliedschaft in der Wassergenossenschaft nicht mit jener in der EEG übereinstimmen muss; insoweit wäre ein janusköpfiges Konstrukt erforderlich. Die praktische Umsetzbarkeit einer solchen Lösung scheint auf einen ersten Blick schwierig.

EAG-Paket: Wassergenossenschaften als Mitglieder von Energiegemeinschaften

Die Mitgliedschaft an EEG und Bürgerenergiegemeinschaften steht juristischen Personen des öffentlichen Rechts offen, deren Haupttätigkeit nicht in der bloßen Teilnahme an dieser Energiegemeinschaft liegt. Eine Einschränkung auf bestimmte juristische Personen des öffentlichen Rechts besteht nicht. Weiters gilt zu beachten, dass die Teilnahme von Elektrizitätsunternehmen ausgeschlossen wurde, wobei hier für Wasserkraftprojekte im Elektrizitätsbereich bei den EEG eine Ausnahme geschaffen wurde (vgl § 16c Abs 1 ElWOG).

Da die Tätigkeit von Wassergenossenschaften von Gesetzes wegen keinesfalls bloß in der Teilnahme an einer Energiegemeinschaft liegen kann (vgl § 73 WRG), steht der Teilnahme einer Wassergenossenschaft an einer EEG somit nichts entgegen.

Fazit

Die in diesem Beitrag aufgezeigte Möglichkeit von Wassergenossenschaften, als Energiegemeinschaften tätig zu werden oder sich allenfalls als Mitglied an einer solchen zu beteiligen, birgt großes Potenzial für die Energiewende. Dies deshalb, weil Wassergenossenschaften gewöhnlich bereits über einen organisatorisch-administrativen Apparat und Mitglieder verfügen und mit dem vorhandenen Know-How aus der bisherigen Tätigkeit die Umsetzung und den Betrieb von EEG stemmen können. Allerdings stellen sich in diesem Zusammenhang zahlreiche weiterführende Fragen, wie bspw verfahrens-, netz- oder förderrechtlicher Natur. Diese werden wir demnächst in weiteren Beiträgen erläutern. Stay tuned!

Emil Nigmatullin

Mag. Emil Nigmatullin ist Rechtsanwaltsanwärter bei der Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH.

Kaleb Kitzmüller

Mag. Kaleb Kitzmüller, LL.M. (Amsterdam) ist Rechtsanwalt mit den Tätigkeitsschwerpunkten Energievertragsrecht, Corporate/M&A, Immobilienrecht und Klimaschutzrecht.


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