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Einklagbares Recht auf saubere Energie in Österreich?

Emil Nigmatullin, Julia Wallner | 09.04.2022

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Im Zentrum der aktuell anhängigen zweiten österreichischen Klimaklage steht ein Verbot zum Verkauf von fossilen Brenn- und Treibstoffen. In einem Beitrag in der Fachzeitschrift „Nachhaltigkeitsrecht“ nimmt Emil Nigmatullin gemeinsam mit seiner Mitautorin, Mag.a Julia Wallner, die zweite österreichische Klimaklage unter die Lupe und beleuchtet darin die Durchsetzung subjektiv-rechtlicher Ansprüche auf saubere Energie und Fragen zur Zulässigkeit staatlicher Wirtschaftslenkungsmaßnahmen (Wallner/Nigmatullin, NR 2022, 78 ff).

Um was geht´s?

Drei natürliche Personen, die steirische Gemeinde Stanz im Mürztal sowie Global 2000 beantragten bei der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort („BMDW“) die Erlassung einer „Klimaschutz-VO“. Konkret sollte die BMDW ein schrittweises Verkaufsverbot fossiler Treib- und Brennstoffe für Gewerbetreibende der Handelsgewerbe Tankstelle und Handel mit sonstigen Mineralölprodukten erlassen. Die Antragsteller stützten sich hierbei auf § 69 Abs 1 GewO 1994, wonach die BMDW ermächtigt sei, gewerbepolizeiliche Maßnahmen festzulegen, welche die jeweiligen Gewerbetreibenden unter anderem „zur Vermeidung einer Gefährdung von Leben oder Gesundheit von Menschen oder zur Vermeidung von Belastungen der Umwelt […] hinsichtlich der Waren, die sie erzeugen oder verkaufen“, zu treffen haben. Die Antragsteller begehrten ein Verkaufsverbot für (i) feste Brennstoffe aus fossiler Herkunft ab 1. Jänner 2025, (ii) Heizöl aus fossiler Herkunft ab 1. Jänner 2030, (iii) Treibstoffe aus fossiler Herkunft mit Ausnahme für die Luftfahrt ab 1. Jänner 2035 sowie (iv) Treibstoffe aus fossiler Herkunft für die Luftfahrt ab 1. Jänner 2040. Ihr Recht auf Verordnungserlassung begründeten die Antragsteller insbesondere mit Art 1 der Effort-Sharing-VO.

Die BMDW wies diesen Antrag zurück. Begründend führte sie insbesondere aus, dass die Ergreifung der beantragten Maßnahmen den Bundeskompetenztatbestand „Gewerbe und Industrie“ überschreite. Die Erlassung der beantragten VO auf Grundlage des § 69 Abs 1 GewO 1994 scheide schon deshalb aus.

Gegen den Zurückweisungsbescheid erhoben die Antragsteller Beschwerde beim Verwaltungsgericht Wien. Das Beschwerdeverfahren ist, soweit ersichtlich, noch anhängig.

Ergebnisse der Untersuchung

Im Verfahren zur zweiten österreichischen Klimaklage haben sich im Wesentlichen zwei Kernprobleme herauskristallisiert: Zum einen stellte sich die Frage, ob die Antragsteller einen subjektiv-rechtlichen Anspruch auf Erlassung bestimmter Klimaschutzmaßnahmen gegenüber dem Staat haben. Zum anderen stand in Rede, ob die beantragte Klimaschutz-VO – als eine Art „Wirtschaftslenkungsmaßnahme“ – von der Gewerberechtskompetenz des Bundes gedeckt war.

Diese beiden Kernprobleme können wie folgt gelöst werden:

  • Art 1 der Effort-Sharing-VO räumt bestimmten natürlichen und juristischen Personen gegenüber der Republik Österreich einen Anspruch auf Erlassung geeigneter und wirksamer Maßnahmen, mit denen Österreich seine Treibausgas-Reduktionsverpflichtungen aus der Effort-Sharing-VO einhält, ein. Welche konkreten Maßnahmen Österreich ergreift, liegt allerdings in seinem Ermessen. Folglich lässt sich daraus kein Anspruch auf Erlassung eines Verkaufsverbots für fossile Brenn- und Treibstoffe ableiten.
  • Die beantragte „Klimaschutz-VO“ kann – als Wirtschaftslenkungsmaßnahme – wohl nicht auf den Kompetenztatbestand „Gewerbe und Industrie“ gestützt werden. Allerdings besteht mit der Luftreinhaltungskompetenz des Bundes eine Kompetenzgrundlage zur Setzung von Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen, die auch zur Ergreifung der vorliegend beantragten Maßnahmen genutzt werden kann.

Es bleibt abzuwarten, wie das Verwaltungsgericht Wien und in weiterer Folge allenfalls die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts die hier diskutierten Rechtsfragen beantworten werden.

Fazit

Die zweite österreichische Klimaklage – mag ihr Erfolg, wie gezeigt, in rechtlicher Hinsicht in Zweifel gezogen werden – unterstreicht einmal mehr die Bedeutung des sofortigen Ausbaus erneuerbarer Energie. Hierfür bedarf es nicht nur der Beschleunigung der jeweiligen Genehmigungsverfahren und der Entschärfung raumordnungsrechtlicher Stolpersteine, sondern auch eines rapiden Netzausbaus.

Wir bleiben für Sie dran!

Emil Nigmatullin

Mag. Emil Nigmatullin ist Rechtsanwaltsanwärter bei der Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH.

Julia Wallner

Mag. Julia Wallner ist Universitätsassistentin an der Universität Graz und dissertiert zum Klimaschutzrecht.


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