EE-Rechtsprechung Aktuell – Volume 2
In der zweiten Ausgabe „EE-Rechtsprechung Aktuell“ halten wir Sie weiterhin über aktuelle Rechtsprechung rund um die Energiewende auf dem Laufenden.
Reka Krasznai | 10.01.2022
Neben Sonnenenergie, Wind- und Wasserkraft zählt entsprechend der EU-Richtlinie zur Förderung und Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen sowie des österreichischen Ökostromgesetzes auch Energie, die in Form von Wärme unter der festen Erdoberfläche gespeichert ist – die sogenannte geothermische Energie – zu den erneuerbaren Energiequellen.
„geothermische Energie“: Energie, die in Form von Wärme unter der festen Erdoberfläche gespeichert ist.
§ 5 Abs 1 Z 25 Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz
Geothermische Energie gilt nach heutigem Erkenntnisstand – eine nachhaltige Nutzung vorausgesetzt – als unerschöpflich. Sie kann daher einen bedeutenden Beitrag zur regenerativen Energieversorgung, insbesondere zur Erreichung der österreichischen Energieziele – die Stromversorgung bis 2030 auf 100 % Strom aus erneuerbaren Energieträger umzustellen – leisten.
Österreich verfügt nach Schätzungen der Wien Energie über 95 % ungenutztes Geothermie-Potential. Erst unlängst wurde im Rahmen des Projekts „Geotief Wien“ 3.000 m unterhalb von Wien ein potentielles Heißwasservorkommen entdeckt.
Doch nach welchen Regeln darf geothermische Energie überhaupt gewonnen werden? Welche besonderen Rechtsvorschriften sind bei der Erschließung und Nutzung von Erdwärme zu beachten? Der folgende Beitrag soll einen kurzen Überblick über die unterschiedlichen Arten der Gewinnung und Nutzung von Geothermie sowie die wesentlichen (umwelt)rechtlichen Bestimmungen hierfür geben.
Geothermische Energie wird durch den Entzug der Erdwärme aus dem Erdreich oder dem Grundwasser (zB Thermalwasser) gewonnen.
Je nachdem aus welchen Tiefen die Erdwärme erschlossen wird, unterscheidet man zwischen der oberflächennahen Geothermie (bis ca. 300 m Tiefe) und der tiefen Geothermie (über ca. 300 m Tiefe).
Oberflächennahe Erdwärme kann durch offene oder geschlossene Systeme gewonnen werden:
Bei der Tiefengeothermie gibt es hydrothermale und petrothermale Systeme:
Während Erdwärme aus oberflächennahmen Schichten hauptsächlich für Heizwecke (zB Beheizen von Gebäuden, Bereitstellen von Warmwasser) verwendet wird, kann Erdwärme aus tieferen Quellen mit sehr hohen Temperaturen (über 100 Grad Celsius) für die Erzeugung von Strom genutzt werden.
Der unterirdische Erdkörper gehört, wie auch der Luftraum, zum Liegenschaftseigentum (§ 297 ABGB). Die im Boden befindliche Erdwärme gehört somit dem Liegenschaftseigentümer, der grundsätzlich frei darüber verfügen kann (anders in Deutschland, wo Geothermie dem freien Verfügungsrecht des Grundeigentümers entzogen ist und als bergfreier Bodenschatz gemäß § 3 Abs. 3 Z 2 BbergG nur vom Bergbauberechtigten genutzt werden darf).
Dieses Verfügungsrecht wird durch allgemeine bzw. öffentlich-rechtlichen Ausübungsschranken beschränkt: Zum einen dürfen durch die Erschließung von Erdwärme Rechte Dritter nicht beeinträchtigt werden (zB hat die Nutzung in angemessenen Ausmaß zu erfolgen, sodass dem Nachbargrundstück keine Wärme entzogen wird), zum anderen müssen bestimmte verwaltungsrechtliche Vorschriften eingehaltenen werden.
Kurzgefasst
Die im Boden befindliche Erdwärme gehört dem Liegenschaftseigentümer, kann aber durch allgemeine bzw. öffentlich-rechtliche Ausübungsschranken beschränkt sein.
Für die Gewinnung und Nutzung von geothermischer Energie sind bestimmte behördliche Genehmigungen erforderlich. Welche Bewilligungen einzuholen sind, hängt von der Art und Weise der Erschließung ab.
Sind für die Erschließung von Vorkommen geothermischer Energie und für das Gewinnen dieser Energie (Erdwärme, Wärmenutzung der Gewässer) über 300 m tiefe Bohrungen (einschließlich der Herstellung von Sonden) erforderlich, so bedürfen diese Bohrungen einer bergrechtlichen Bewilligung nach dem Mineralrohstoffgesetz (MinroG) durch die zuständige Montanbehörde (§ 119 Abs 1 MinroG).
Bohrungen zur Erschließung von Vorkommen geothermischer Energie mit weniger als 300 m Tiefe brauchen keine gesonderte bergrechtliche Genehmigung
Hinweis: Die Neuerrichtung von Anlagen für Tiefbohrungen ab 1 000 m Tiefe auf einer obertägigen Gesamtfläche von mindestens 1,5 ha unterliegt in bestimmten schutzwürdigen Gebieten einer Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVP-G).
Kurzgefasst
Für Bohrungen in Tiefen von über 300 m ist eine bergrechtliche Bewilligung notwendig. Für Tiefbohrungen ab 1 000 m allenfalls sogar eine UVP-Genehmigung.
Wird für die Gewinnung von geothermische Energie Grundwasser (zB Thermalwasser) entnommen, so unterliegt die Entnahme und Nutzung des Wassers jedenfalls den wasserrechtlichen Bestimmungen, insbesondere dem Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959).
Die Entnahme bzw Nutzung des Grundwassers für geothermische Zwecke bedarf einer Bewilligung der zuständigen Wasserrechtsbehörde gemäß § 10 WRG 1959.
Um den guten mengenmäßigen Zustand des Grundwasserkörpers zu erhalten, ist das erschlossene Grundwasser nach der energetischen Nutzung wieder in denselben Grundwasserleiter einzuleiten (Reinjektion). Diese Wiedereinleitung stellt aufgrund der geänderten (abgekühlten) Temperaturverhältnisse eine Einwirkung auf den Grundwasserkörper dar, sodass hierfür eine wasserrechtliche Bewilligung gemäß § 32 Abs 2 lit b WRG 1959 erforderlich ist.
Achtung: UVP!
Größere Grundwasserentnahmen mit einem jährlichen Entnahme- oder Anreicherungsvolumen von mindestens 10 000 000 m3 bzw. 5 000 000 m3 in besonders ausgewiesenen Gebieten sind UVP-pflichtig.
Bestimmte Anlagen, bei denen kein Grundwasser entnommen wird, sondern die Erdwärme durch ein geschlossenes System genutzt wird (zB Anlagen zur Gewinnung von Erdwärme in wasserrechtlich besonders geschützten Gebieten, Anlagen zur Wärmenutzung der Gewässer), unterliegen gemäß § 31c Abs 5 WRG 1959 (vorsorglich) ebenfalls einer wasserrechtlichen Bewilligungspflicht, sofern hierfür nicht eine bergrechtliche oder gewerberechtliche Bewilligung erforderlich ist. Die wasserrechtliche Bewilligung wird für solche Anlagen in einem (vereinfachten) Anzeigeverfahren gemäß § 114 WRG 1959 erteilt.
Anlagen, mit denen das entnommene Grund- bzw Thermalwasser für die Erzeugung von Wärme (zB für Heizzwecke) genutzt wird, bedürfen grundsätzlich einer gewerberechtlichen Genehmigung nach der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994). Im Rahmen der gewerberechtlichen Bewilligung von Erd- und Wasserwärmepumpen wird gemäß § 356b Abs 1 Z 2 GewO 1994 auch die oben beschriebene wasserrechtliche Bewilligung gemäß § 31c Abs 5 WRG 1959 erteilt.
Anlagen, in denen die geothermische Energie in Strom umgewandelt wird, gelten als Elektrizitätsunternehmen und fallen in den Anwendungsbereich des Elektrizitätswirtschafts- und organisationsgesetzes 2010 (ElWOG).
Das elektrizitätsrechtliche Genehmigungsregime gilt auch für den Fall, dass die elektrische Energie in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen erzeugt wird: die Erzeugung der elektrischen Energie unterliegt den Bestimmungen des ElWOG, für die Gewinnung und Abgabe von Wärme ist aber bei solchen „doppelfunktionalen Anlagen“ auch eine Genehmigung nach der GewO 1994 erforderlich. Einer gewerberechtlichen Anlagengenehmigung bedarf es lediglich dann nicht, wenn die Gewinnung und Abgabe von Wärme mit der Stromerzeugungstätigkeit in einem wirtschaftlichen und fachlichen Zusammenhang steht, die Anlage nach anderen bundesrechtlichen Vorschriften bewilligt ist und der Charakter der Anlage als Stromerzeugungsanlage gewahrt bleibt (§ 74 Abs 5 GewO 1994). Das Erfordernis einer (persönlichen) Gewerbeberechtigung zur Ausübung der gewerberechtlichen Tätigkeit bleibt davon allerdings unberührt.
Neben den dargestellten Rechtsmaterien können bei der Gewinnung von Geothermie und der hierfür erforderlichen Anlagen im Einzelfall auch noch andere Bundesvorschriften (zB Forstgesetz, sofern Rodungsmaßnahmen erforderlich sind) eine Rolle spielen. Zusätzlich sind auch Landesregelungen, wie zB das Naturschutz- oder Baurecht, zu berücksichtigen.
Bei grenzüberschreitenden Grundwasservorkommen (zB in der österreich-tschechischen Grenzregion Laa an der Thaya und Pasohlávky, im niederbayerisch-oberösterreichischen Molassebecken) ist darüber hinaus zu beachten, dass bilaterale Staatsverträge eine Zustimmung des anderen Vertragsstaates zu wasserwirtschaftliche Vorhaben vorschreiben können, sofern das Vorhaben die Wasserverhältnisse auf dem Gebiet des anderen Vertragsstaates wesentlich (nachteilig) beeinflussen könnte.
Quellennachweise:
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