1. Kärntner Energiewende-Gesetz in Kraft getreten
Ist die Energiewende jetzt Teil des Kärntnerliedes?
Hartlieb, Kitzmüller, Laimgruber, Nigmatullin | 04.01.2022
Wir beleuchten schon jetzt mögliche Strategien zur praktischen Durchsetzung Ihrer Ansprüche aufgrund der wohl verfassungswidrigen Fördergrenze von 50 % für Energiegemeinschaften.
Aktuell sind die Bestimmungen über die Marktprämie des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes noch nicht in Kraft. Trotzdem wurde und wird darüber insbesondere in der juristischen Fachliteratur heiß diskutiert. Im Kern geht es dabei um Folgendes: Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften (EEG) und Bürgerenergiegemeinschaften (BEG), die Ökostromanlagen auf Basis von PV, Wasserkraft, Windkraft, Biomasse und Biogas betreiben, können durch Marktprämien lediglich bis zu einem Ausmaß von maximal 50 % der innerhalb einer EEG und BEG insgesamt erzeugten Strommenge gefördert werden (vgl für EEG: § 80 Abs 2 EAG; für BEG: § 16b Abs 5 ElWOG 2010). Dies hat zur Folge, dass Energiegemeinschaften zwar grds bis zu 100 % des von ihnen erzeugten Stroms ins öffentliche Netz einspeisen und verkaufen können, aber – anders als alle sonstigen Anlagenbetreiber – nur Marktprämien für 50 % des von ihnen erzeugten und eingespeisten Stroms erhalten. Dass dies im Einzelfall zu Wettbewerbsnachteilen führen kann, steht außer Frage.
In einem Beitrag in der Fachzeitschrift RdU aus der Schreibstube von Haslinger / Nagele (vgl Nigmatullin, Unions- und verfassungsrechtliche Überlegungen zur Marktprämienförderung bei Energiegemeinschaften, RdU-UT 2021/17, 62) wurden vor kurzem mögliche unions- und verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber den genannten marktprämienbeschränkenden Bestimmungen für EEG und BEG aufgezeigt. Diese Überlegungen wurden in Fachkreisen bereits aufgegriffen (vgl zB sich unseren Ausführungen anschließend Krönke/Tschachler, Decentralized Energy, RdU 2021/127, 249).
Aus Anlass dieser begründeten Bedenken und der näher rückenden erstmaligen Gelegenheit, Fördergebote zu stellen, wird im Folgenden ein möglicher Weg zur Rechtsdurchsetzung für betroffene Energiegemeinschaften aufgezeigt. Schon einmal vorweg: Es ist davon auszugehen, dass ein allenfalls erhobener Individualantrag auf Normenkontrolle (Art 140 B-VG) an den VfGH unzulässig ist, da der „Umweg“ über die Zivilgerichte zumutbar erscheint.
Im ersten Schritt sollte die EEG bzw BEG sicherstellen, dass Stromlieferverträge mit gemeinschaftsexternen Dritten (klassischerweise den Energieversorgern) in einem Ausmaß von mehr als 50 % des gemeinschaftsintern erzeugten Stroms abgeschlossen werden.
Im zweiten Schritt sollte die EEG bzw BEG ein Gebot bei der EAG-Förderabwicklungsstelle im Rahmen des jeweiligen Ausschreibungsverfahrens stellen und hierbei als zu fördernde Strommenge einen über 50 % des gemeinschaftsintern erzeugten Teils angeben. Die EAG-Förderabwicklungsstelle würde aller Voraussicht nach das Gebot dahingehend einschränken, dass es exakt für 50 % des gemeinschaftsintern erzeugten Stroms gilt, oder gar gänzlich ablehnen.
Da Marktprämien aufgrund von Förderverträgen ausbezahlt werden (§ 17 Abs 1 EAG) und für Streitigkeiten zwischen einer marktprämienwerbenden EEG bzw BEG und der EAG-Förderabwicklungsstelle die Zivilgerichte zuständig sind (§ 99 EAG), könnten EEG bzw BEG sodann eine Klage auf Vertragsabschluss über die 50 % übersteigende Strommenge beim zuständigen Zivilgericht erheben und hierbei schon die unions- und verfassungsrechtlichen Bedenken geltend machen. Sollte das Zivilgericht diese Bedenken nicht teilen, würde es der Klage nicht stattgeben.
Die EEG bzw BEG könnte aus Anlass einer dagegen erhobenen Berufung einen Parteiantrag auf Normkontrolle (Art 140 Abs 1 lit d B-VG) beim VfGH erheben. Die hohe Schwelle der Zulässigkeit, die mit dem „direkten“ Weg – einem Individualantrag auf Normenkontrolle (Art 140 Abs 1 lit c B-VG) – einherginge, gilt es hier nicht zu passieren. Sofern sich in weiterer Folge der VfGH bspw den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 80 Abs 2 EAG anschließt, würde er dem Parteiantrag stattgeben und die angefochtene Bestimmung bzw Wortfolge aufheben (in concreto bietet sich die Wortfolge „bis zu einem Ausmaß von maximal 50% der innerhalb einer Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft [bzw Bürgerenergiegemeinschaft] insgesamt erzeugten Strommenge“ an). Das zivilrechtliche Rechtsmittelverfahren vor der Berufungsinstanz würde bis zur Erledigung durch den VfGH ruhen.
Da der VfGH als „Negativgesetzgeber“ auftritt und nur ermächtigt ist, Gesetzesbestimmungen bzw einzelne Wortfolgen aufzuheben, hätte die Berufungsinstanz die Bestimmung ohne die erfolgreich angefochtene Wortfolge anzuwenden. Dies würde im vorliegenden Fall wohl dazu führen, dass die EEG bzw BEG den Marktprämien-Vertragsabschluss über den 50 % hinausgehenden Teil ihrer Gemeinschaftsstrommenge zugesprochen bekommen würde. Bei erfolgreicher Rechtsdurchsetzung kann somit ein immenser wirtschaftlicher Vorteil im Vergleich zur aktuell vorgesehenen Rechtslage erkämpft werden.
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