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Erdgas-Lenkungs-Verordnung und EU-Gas-Notfallplan

Johannes Hartlieb, Emil Nigmatullin | 25.07.2022

Magnascan on pixabay

Die vergangene Woche hatte es in sich: Die Europäische Kommission hat ihren Gas-Notfallplan präsentiert, der für massive Kontroversen gesorgt hat („15%-Sparverpflichtung“). BM Gewessler hat am Freitag den Entwurf der Erdgas-Lenkungs-Verordnung in Begutachtung geschickt. Auf Letztere wollen wir näher eingehen.

Im Verordnungsentwurf werden die Lenkungsmaßnahmen zur Sicherung der Erdgasversorgung und zur Abwendung einer unmittelbar drohenden Störung der Energieversorgung Österreichs konkretisiert. Dabei sollen die Voraussetzungen für die Ergreifung von Erdgas-Lenkungsmaßnahmen bereits gegenwärtig vorliegen. Die Lenkungsmaßnahmen sollen die Deckung des lebenswichtigen Bedarfes an Energie, einschließlich jenes für Zwecke der militärischen Landesverteidigung, die Aufrechterhaltung einer ungestörten Gütererzeugung und Leistungserstellung sowie die Versorgung der Bevölkerung und sonstiger Bedarfsträger sicherstellen.

Wer wird durch die Verordnung verpflichtet?

§ 3 definiert drei Gruppen an Verpflichteten:

  1. Großabnehmer, sprich sämtliche Endverbraucher mit einer vertraglich vereinbarten Höchstleistung von mehr als 50.000 kWh pro Stunde;
  2. Erzeuger, die Kraft-Wärmekopplungsanlagen mit einer Engpassleistung von zumindest 50 MW (thermisch) oder einer jährlichen Wärmeabgabe von zumindest 300 GWh betreiben;
  3. Fernwärmeunternehmen mit hydraulisch zusammenhängenden Fernwärmenetzen mit einer gesamten maximalen Netto-Heizleistung aller damit verbundenen Heizwerke und Heizkraftwerke von zumindest 50 MW (thermisch) oder einer jährlichen Wärmeabgabe von zumindest 300 GWh getrennt je Fernwärmenetz.

Zu den Endverbrauchern zählen natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften, die Erdgas für den Eigenbedarf beziehen.

Welche Lenkungsmaßnahmen treffen die Verpflichteten?

Die Unternehmen werden aufgerufen, mit Energie in Form von Erdgas sorgsam umzugehen und diese nur im notwendigen Ausmaß zu verbrauchen (§ 4). Bei Nichteinhaltung dieser – relativ unbestimmten, nicht mit Schwellenwerten unterlegten – Verpflichtung drohen Geldstrafen bis zu 72.660 Euro (§ 39 Abs 1 Z 1).

Zum anderen haben Verpflichtete, denen es technisch, wirtschaftlich und rechtlich möglich ist, ehestmöglich die Voraussetzungen zu schaffen, dass ab 01.10.2022 ganz oder teilweise eine Erdgassubstitution umgesetzt und für vier Monate aufrechterhalten werden kann (§ 4 Abs 1). Die Bestimmung verpflichtet nicht unmittelbar zur Erdgassubstitution, sondern vielmehr zur Setzung von Vorbereitungsmaßnahmen. Die Erdgassubstitution (§ 2 Z 3) bezieht sich nicht nur auf das Ersetzen jenes Erdgases, das in den maßgeblichen Prozessen der Verpflichteten (etwa Erzeugung von Energie oder Herstellung von Produkten) verwendet wird, sondern ausweislich der Erläuterungen auch auf die Herstellung der Betriebsfähigkeit einer stillgelegten, ehemals (auch) auf Basis von Erdgas betriebenen Energieerzeugungsanlage mit einem anderen Energieträger.

Zu den Vorbereitungsmaßnahmen zählen die Prüfung, Wartung und Instandsetzung bestehender oder stillgelegter Anlagen, die Beschaffung und die Bevorratung anderer Energieträger sowie Maßnahmen zur Änderung der Betriebsweise, samt der dazu erforderlichen Genehmigungs- und Anzeigenerfordernisse (§ 5 Abs 3). Zudem sollen ein Testbetrieb zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen Inbetriebnahme durchgeführt werden, wobei entgegenstehende Regelungen zur Betriebsweise und zu Emissionsgrenzwerten nicht anzuwenden sind (§ 5 Abs 3)

Unter welchen Voraussetzungen die Setzung der Vorbereitungsmaßnahmen dem Verpflichteten möglich ist, wird in § 6 geregelt. Die Vorbereitungsmaßnahmen müssen im Rahmen des bestehenden anlagenrechtlichen Konsenses zulässig sein oder dafür erforderliche anlagenrechtliche Genehmigungen oder Kenntnisnahmen rechtskräftig (!) erlangt werden können. Die Erläuterungen verweisen auf die Möglichkeit zur Erlassung von mündlichen Bescheiden und Mandatsbescheiden. Ob und inwieweit die erforderlichen Genehmigungen in dem vorgegebenen Zeitfenster rechtskräftig erlangt werden können, wird vielfach – selbst bei behördenseitiger Inanspruchnahme der genannten „Beschleunigungsinstrumente“ –  nicht vom Anlagenbetreiber abhängen.

In Fällen, in denen die Erdgassubstitutions-Voraussetzungen erst nach dem 01.10.2022, aber spätestens bis sechs Monate nach Inkrafttreten der Verordnung geschaffen werden können, haben die Verpflichteten dies der BMK bis 30.09.2022 unter Angabe der Gründe mitzuteilen.

Werden Vermögensnachteile der Verpflichteten ersetzt?

Verpflichtete können bei der BMK einen Entschädigungsantrag stellen. Entschädigt werden jene Kosten, die nachweislich für das Schaffen der Erdgassubstitutions-Voraussetzungen erforderlich waren oder sonst dadurch entstanden sind. „Ersparnisse“, d.h. sämtliche vermögenswerten Vorteile, die dem Verpflichteten unmittelbar oder mittelbar aus dem Schaffen der Erdgassubstitutions-Voraussetzungen zukommen, werden abgezogen.

Fazit

Lange erwartet, greift die erste Erdgas-Lenkungs-Verordnung stark in das wirtschaftliche Fortkommen größerer Verbraucher ein, ohne freilich die letzte „Eskalationsstufe“ zu zünden (z.B. Mengenverfügungen). Bemerkenswert ist das kurze Zeitfenster zur Setzung von Vorbereitungsmaßnahmen zur Umstellung auf andere Energieträger. Es bleibt abzuwarten, inwieweit dies in der Praxis umsetzbar ist.

Stellungnahmen können bis 25.07.2022 an die E-Mail stabst-krima-el@bmk.gv.at erstattet werden.

Johannes Hartlieb

Johannes Hartlieb

Dr. Johannes Hartlieb, BSc ist Rechtsanwalt und auf Regulierungs-, Vergabe- und Wettbewerbsrecht spezialisiert.

Emil Nigmatullin

Mag. Emil Nigmatullin ist Rechtsanwaltsanwärter bei der Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH.


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