Umweltcompliance und Vergaberecht
Nachhaltig erfolgreich bei Vergabeverfahren.
Johannes Hartlieb | 21.02.2023
Am 13. Februar 2023 hat die Europäische Kommission einen Verordnungsvorschlag (Vorschlag für eine delegierte Verordnung der Kommission) veröffentlicht, der Staub aufgewirbelt hat. Darin werden nämlich die Kriterien für „grünen“ Wasserstoff definiert. Dies wurde medial kontrovers diskutiert (Grüner Wasserstoff aus Stromstrom). Über die neuen Verordnungsentwürfe wurde an anderer Stelle bereits umfassend berichtet.
Die Kritik am Verordnungsvorschlag ist insofern nicht ganz unberechtigt, als die Kommission damit die Möglichkeit eröffnet, aus Atomstrom produzierten Wasserstoff als „grün“ einzustufen. Dabei ist vorauszuschicken, dass die Erneuerbare Energie-Richtlinie, auf welcher die nunmehrigen Verordnungsvorschläge der Kommission basieren, Atomstrom nicht als „Energie aus erneuerbaren Quellen“ nennt. Die diesbezügliche Diskussion setzt bei den geringen bzw. nicht vorhandenen (direkten) CO2-Emissionen von Atomstrom an und ist von der Kontroverse um die Taxonomie-Verordnung bekannt.
Der Verordnungsvorschlag sieht bereits in Erwägungsgrund 1 vor, dass flüssige und gasförmige Kraftstoffe nicht-biologischen Ursprungs, die mit Strom hergestellt werden, (nur) dann als erneuerbar gelten sollen, wenn es sich um Ökostrom handelt. Aus Erwägungsgrund 2 wird deutlich, dass es dabei primär um Wasserstoff, der in Elektrolyseuren hergestellt wird, geht. Auf die Herkunft des Wasserstoffs kommt es dabei nicht an.
As a principle, liquid and gaseous fuels of non-biological origin which are produced from electricity are considered renewable only when the electricity is renewable.
Erwägungsgrund 1 des Verordnungsvorschlags der Kommission, C(2023) 1087 final (Hervorhebung nicht im Original)
Im Hinblick auf die Kriterien für die Einstufung von Wasserstoff als „grün“ sieht die Verordnung ein kaskadenartiges System vor. Primär soll Wasserstoff dann als erneuerbar gelten, wenn die Produktionsanlage direkt mit einer Ökostromanlage verbunden (Direktleitung) ist oder die Ökostromproduktion innerhalb derselben Anlage stattfindet. Daneben darf die Ökostromanlage nicht älter als 36 Monate sein (Datum der Inbetriebnahme), wodurch die Verordnung auch einen Anreiz zur Schaffung neuer Ökostromanlagen setzt. Für den Fall, dass die Anlage(n) mit dem Stromnetz verbunden ist/sind, ist durch den Einsatz eines intelligenten Messgeräts nachzuweisen, dass kein Strom aus dem Netz entnommen wurde.
Sollte der Strom hingegen primär aus dem öffentlichen Stromnetz entnommen werden, sieht Artikel 4 des Verordnungsentwurfs ein differenziertes System vor: Der Strom kann dann als erneuerbar eingestuft werden, wenn der Ökostromanteil in der jeweiligen Gebotszone bei zumindest durchschnittlich 90% liegt. Daneben darf eine zu berechnende Stundenhöchstzahl nicht überschritten werden.
Alternativ kann der Strom aus dem Netz auch dann als erneuerbar angesehen werden, wenn in der jeweiligen Gebotszone eine Emissionsintensität von 18 g CO2eq/MJ nicht überschritten wird. In diesem – kontrovers diskutierten – Fall müssen jedoch zusätzliche Voraussetzungen hinzutreten. So muss der Wasserstoffproduzent beispielsweise einen langfristigen Strombezugsvertrag (PPA) mit einem Erzeuger abgeschlossen haben. Daneben müssen die Bedingungen der zeitlichen und geographischen Korrelation (Artikel 6 und 7 des Entwurfs) erfüllt sein. Weiters sieht der Verordnungsentwurf zusätzliche „Rückfallsebenen“ vor.
Der Verordnungsvorschlag verbindet dieses „Herkunftssystem“ mit einem „Zertifizierungssystem“ (Certification of compliance). Dies dient der Umsetzung des Wasserstoffbinnenmarktes, da es die Voraussetzung für den Handel mit anerkanntem grünen Wasserstoff bildet. Derartige Systeme sind freiwillig und müssen ein Anerkennungsverfahren bei der Kommission durchlaufen.
Die Bedeutung des Verordnungsvorschlags der Kommission darf nicht unterschätzt werden; auch wenn dieser zunächst „schmal“ erscheint, wird die Definition von grünem Wasserstoff doch nicht nur die gesamte EU-Wasserstoffwirtschaft prägen, sondern auch auf die nationale Regelungslandschaft durchschlagen, insbesondere auf die Förderregelungen. Der kaskadenartige Aufbau des Verordnungsvorschlags unterstreicht das Bemühen der Kommission, einen Ausgleich zwischen Umwelt- und Wirtschaftsinteressen zu finden.
Insofern ist die grundsätzliche Kritik am Vorschlag zwar berechtigt, als durch das Abstellen auf die Emissionsintensität innerhalb einer Gebotszone die Produktion von Wasserstoff aus Atomstrom ermöglicht bzw. sogar gefördert wird. Gleichzeitig gibt die Kommission durch die Etablierung zusätzlicher Voraussetzungen zu erkennen, dass sie dies nicht ungehemmt zulassen möchte. Insofern ist manche Kritik am Verordnungsvorschlag überzogen. In jedem Fall war der Zugang der Kommission nach der Debatte um die Taxonomie-Verordnung zu erwarten.
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