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Netzreserve „neu“

Johannes Hartlieb | 16.03.2021

Foto: Anil Kumar Shrestha on Unsplash

Zur Erlassung des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes (EAG)

Bereits am 16. September 2020 stellte Energie- und Klimaschutzministerin Leonore Gewessler den Begutachtungsentwurf zum geplanten Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) vor. Im März 2021 wurde ein zweiter Entwurf veröffentlicht. Aufgrund der Verzögerung der Erlassung des EAG wurden die Regelungen zur Netzreserve vom EAG-Paket abgekoppelt. Diese Regelungen, die hier dargestellt wurden, traten mit 07.01.2021 in Kraft.

Regelungen zur Netzreserve bereits in Kraft

Die Bedeutung der Versorgungssicherheit hat sich zu Beginn dieses Jahres gezeigt, als Teile Europas vor einem Blackout standen. Auch ist die Neuregelung der Netzreserve vor dem Hintergrund geänderter Anforderungen an die Versorgungssicherheit aufgrund der Förderung erneuerbarer Energien zu sehen. Mit steigendem Anteil volatiler Energieträger im Netz wird es in Zukunft häufiger zu einem die Netze belastenden Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage kommen. Die Nachfrage nach netzdienlicher Flexibilität wird somit steigen. Mit den neuen Netzreserve-Regelungen sollen alle verfügbaren Quellen angezapft und ein funktionierender Markt für Reserveenergie geschaffen werden.

Zu diesem Zweck hat der jeweilige Regelzonenführer den Netzreservebedarf jährlich festzustellen und dabei eine Reihe von Kriterien (Geographie, Marktstruktur etc) anzulegen. Den festgestellten Bedarf hat der Regelzonenführer im Wege eines „marktorientierten Ausschreibungsverfahrens“ zu decken, an dem sich Betreiber von inländischen Erzeugungsanlagen, Entnehmer und Aggregatoren beteiligen können. Die Engpassleistung muss jeweils 1 MW betragen. Damit ist der marktwirtschaftliche Ansatz des EAG auch bei der Netzreserve abgebildet. Über die Aggregatoren kommt auch kleineren Erzeugern die Möglichkeit der Beteiligung zu (auch dies entspricht dem Ansatz des EAG, alle möglichen Ressourcen abzuschöpfen, man denke nur an die Erneuerbaren-Energie-Gemeinschaften).

Große Energieerzeuger mit einer Engpassleistung von mehr als 20 MW haben die (beabsichtigte) Stilllegung ihrer Anlage dem Regelzonenführer anzuzeigen. Hier besteht die Besonderheit, dass den Betreibern dieser Anlagen die Stilllegung behördlich untersagt werden kann, wenn der Netzreservebedarf wahrscheinlich nicht gedeckt werden kann.

Unzulässigkeit der Marktteilnahme

Für die Dauer der Teilnahme an der Marktreserve ist die Marktteilnahme unzulässig. Zulässig ist für Verbraucher jedoch die Marktteilnahme zur Deckung ihres Verbrauchs. Die Materialien sprechen von einem sog Marktverbot, das der Hintanhaltung von Marktverzerrungen dient. Gemeint ist die Vermeidung der Reduktion von Anreizen für Investitionen in den primären Strommarkt. Daneben soll auch die Reserve überhaupt erhalten und nicht in den Markt eingespeist werden.

Der Begriff des „Marktes“ legt es nahe, dass es dabei um eine Drittverwertung, nicht jedoch um eine Verwertung für den Eigenbedarf geht. Nach der Literatur zählen jedenfalls der Spotmarkt und der Regelleistungsmarkt dazu, wobei eine erweiternde Auslegung befürwortet wird und somit jeder Markt, auf dem Strom angeboten werden kann, erfasst sein soll. Der Eigenbedarf wäre allerdings nicht erfasst. Freilich legen es die durch das Marktverbot verfolgten Ziele nahe, einen ausufernden Eigenbedarf zu vermeiden, da dadurch nicht nur der Reservecharakter des erzeugten Stroms verloren ginge, sondern auch Marktverzerrungen im Sinne geringerer Investitionsanreize auf dem Primärmarkt eintreten könnten (eigens produzierter Strom muss nicht zugekauft werden). Es bleibt abzuwarten, ob dies auch in den Verträgen, welche der Regelzonenführer mit dem jeweiligen Unternehmen abschließt, berücksichtigt wird.

Beteiligung von Aggregatoren

Besonders attraktiv kann die Beteiligung von Energieerzeugern oder Energieverbrauchern über Aggregatoren sein. Demnach steht z.B. auch solchen Erzeugern, die eine Engpassleistung von weniger als 1 MW aufweisen, die Teilnahme an der Netzreserve offen, sofern sie von einem Aggregator gebündelt werden und diese Bündelung zu einer entsprechenden Engpassleistung von mind. 1 MW führt. Diese Bestimmung bezweckt die Öffnung des Ausschreibungsverfahrens der Netzreserve auch für kleinere Anlagen, um einerseits die Bereitstellung der Netzreserve zu gewährleisten und andererseits den Wettbewerb zu stärken.

Hervorzuheben ist, dass der Wortlaut der Bestimmung die Beteiligung von Anlagen mit einer Engpassleistung von mehr als 1 MW nicht ausschließt. Dies ermöglicht die Beteiligung von mehreren Anlagen mit einer geringen Engpassleistung in Verbindung mit einer großen Anlage, wenn auch die kumulierte Engpassleistung der kleineren Anlagen 1 MW nicht erreicht. Dies kann in Zukunft interessante Kooperationsmöglichkeiten eröffnen.

Johannes Hartlieb

Johannes Hartlieb

Dr. Johannes Hartlieb, BSc ist Rechtsanwalt und auf Regulierungs-, Vergabe- und Wettbewerbsrecht spezialisiert.


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