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Streitsache Wassergenossenschaft – (K)ein Fall fürs ordentliche Gericht?

Wolfgang Berger, Kaleb Kitzmüller | 18.05.2021

Photo by Tingey Injury Law Firm on Unsplash

Die österreichische Wasserwirtschaft ist stark geprägt von Genossenschaften. Über 6.000 Wassergenossenschaften sorgen vor allem dafür, dass die Trinkwasserversorgung und die Abwasserbeseitigung zum Wohl ihrer Mitglieder gesichert sind. Doch auch im Zusammenhang mit der Wasserkraftnutzung bestehen Wassergenossenschaften (dann meist als Wasserwerksgenossenschaften bezeichnet). Diese Genossenschaften betreiben zB Wehranlagen bei bestehenden Ausleitungen für Mühlbäche und erhalten diese Gewässerstrecken mit mehreren Kraftwerksbauten gemeinschaftlich; eine Kostenreduktion für den Einzelnen ist im Optimalfall die Folge.

Dass in einer Wasserwerksgenossenschaft die Kostenaufteilung nicht immer friktionsfrei abläuft, zeigt eine jüngst ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, in der eine Rückforderung von eingezahlten Beiträgen für die Errichtung einer Fischaufstiegshilfe zum Streitfall wurde (OGH 23.03.2021, 1 Ob 18/21k).

Sachverhalt

Die Beklagte ist eine Wasserwerksgenossenschaft, deren satzungsmäßiger Zweck „die Errichtung und Erhaltung von Wasserbauten behufs Ausnutzung des Flusswassers [eines bestimmten Flusses] zum Betrieb der an der bezeichneten Werksbachstrecke liegenden Werke, die geregelte Zuführung des Betriebswassers zu diesen Werken, die Regulierung und Erhaltung des X-Werksbaches sowie [einer bestimmten] Wehranlage“ ist.

Bei dem von der Genossenschaft betriebenen Wehr ließ die Wasserwerksgenossenschaft eine Fischaufstiegshilfe errichten. Diese Investition wurde von der Mitgliederversammlung beschlossen. Anschließend wurden die anteiligen Kosten den einzelnen Mitgliedern vorgeschrieben (und auch einbezahlt). Außerdem wurde von der Genossenschaft eine Förderung für die Errichtung der Fischaufstiegshilfe beantragt und den Mitgliedern grundsätzlich in Aussicht gestellt, dass bei Gewährung der Förderung allenfalls wieder Beiträge rückerstattet werden könnten. Die Förderung wurde tatsächlich gewährt, eine Auszahlung der zuvor eingezogenen Beiträge erfolgte aber (aus verschiedenen Gründen) teilweise nicht.

Die Klägerin (Mitglied der beklagten Wasserwerksgenossenschaft) forderte von der Beklagten die anteilige „Ausbezahlung“ der „Rückvergütung“ (der ausbezahlten Fördermittel) in der Höhe von EUR 46.063,69 und wählte hierfür den Zivilrechtsweg, wendete sich also im konkreten Fall an das Landesgericht. Nach Einwand der Beklagten, dass hierfür die Wasserrechtsbehörde und nicht das Zivilgericht zuständig sei, wies das Landesgericht die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück, wogegen die Klägerin Rekurs erhob. Das Oberlandesgericht Wien gab dem Rekurs Folge, ließ aber die Revision zu, welche von der Beklagten auch erhoben wurde. Durch (endgültige) Entscheidung vom 23.03.2021 stellte der OGH nun klar, dass die Klage tatsächlich wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückzuweisen war und stellte den Beschluss des Erstgerichts wieder her.

Entscheidungsgründe des OGH

Unstrittig ist, dass die zuständige Wasserrechtsbehörde gemäß § 85 Abs 1 WRG über alle aus dem Genossenschaftsverhältnis und den wasserrechtlichen Verpflichtungen der Genossenschaft entspringenden Streitfälle zu entscheiden hat, die nicht im Sinn des § 77 Abs 3 lit i WRG innerhalb der Genossenschaft beigelegt werden. Davon sind im Besonderen Streitigkeiten betreffend die Rechte und Pflichten der Mitglieder gegenüber der Wassergenossenschaft umfasst, etwa die Pflicht zur Leistung von (Mitglieds-)Beiträgen.

Nun stellt sich die Frage, welche Maßnahmen vom Zweck der Wasser(werks)genossenschaft umfasst sind und damit zulässigerweise durch Mitgliedsbeiträge finanziert werden dürfen. Der OGH positioniert sich durch die gegenständliche Entscheidung klar für eine breite Interpretation: Demnach müssen die potentiell dem Genossenschaftszweck dienenden Maßnahmen weder im WRG noch in der jeweiligen Satzung der Wasser(werks)genossenschaft „einzeln genau bezeichnet oder detailliert umschrieben werden“. Dass die Errichtung einer (aufgrund der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie notwendigen) Fischaufstiegshilfe im konkreten Fall als Maßnahme zur Zweckerreichung geeignet war, konnte die Klägerin nicht entkräften.

Für Streitigkeiten über die Rückforderung bereits bezahlter Beiträge, somit solchen aus dem Genossenschaftsverhältnis, ist die genossenschaftliche Streitschlichtungseinrichtung und in der Folge die Wasserrechtsbehörde zuständig (s VwGH 28. 3. 1996, 91/07/0091).

Da die Investitionskosten im konkreten Einzelfall (zulässig, weil zur Zweckerreichung geeignet) als Mitgliedsbeiträge vorgeschrieben wurden, war die Austragung eines Streits über deren Rückforderung vor den ordentlichen Gerichten im Ergebnis unzulässig. Die Beklagte hätte zunächst (fristgerecht) die genossenschaftliche Streitschlichtungseinrichtung (= meist ein Schiedsgericht) und anschließend die Wasserrechtsbehörde anrufen müssen.

Schlussfolgerung

Streitigkeiten im Zusammenhang mit Beiträgen der Mitglieder einer Wassergenossenschaft – auch wenn es nicht um laufende Beiträge, sondern um solche für außerordentliche Baumaßnahmen geht – gehören grundsätzlich nicht vor die ordentlichen Gerichte. Dabei ist zu beachten, dass die jeweiligen Maßnahmen vom Genossenschaftszweck gedeckt sind. Der Genossenschaftszweck ist wiederum weit auszulegen und beschränkt sich nicht auf die ausdrücklich im Gesetz und der Genossenschaftssatzung genannten Aufgaben. Auch die Vereinnahmung einer Förderung für die Errichtung einer Fischaufstiegshilfe und die weitere Verwendung des Förderungsbetrages gehört dazu und unterliegt der Beschlussfassung der Mitgliederversammlung. Streitigkeiten hierüber fallen in die Zuständigkeit der in den Satzungen vorgesehenen Schlichtung und der Wasserrechtsbehörde.

Hinweis: Die Autoren waren im gegenständlichen Verfahren auf Seiten der Beklagten beteiligt.

PS: Ob Wassergenossenschaften künftig als (Mitglieder von) Energiegemeinschaften tätig sein könnten, werden wir demnächst in einem weiteren Beitrag erkunden.

Wolfgang Berger

Dr. Wolfgang Berger ist Rechtsanwalt und Partner bei Haslinger / Nagele Rechtsanwälte. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in den verschiedensten Belangen des Verwaltungs- und Verfassungsrechts, insbesondere im Umweltrecht.

Kaleb Kitzmüller

Mag. Kaleb Kitzmüller, LL.M. (Amsterdam) ist Rechtsanwalt mit den Tätigkeitsschwerpunkten Energievertragsrecht, Corporate/M&A, Immobilienrecht und Klimaschutzrecht.


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