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Wasserkraftwerke ohne Naturschutzbewilligung? Energiewende jetzt!

Mario Laimgruber | 14.03.2022

Energiewende jetzt naturschutzrechtliche Bewilligung fehlt Wasserkraftwerk Oberösterreich Laimgruber
Photo by hay_leigh on Unsplash

In zahlreichen Medien wird aktuell berichtet, dass mehrere (auch große Donau-) Wasserkraftwerke in Oberösterreich nach Ansicht der Landesumweltanwaltschaft (LUA) ohne naturschutzrechtliche Bewilligung betrieben werden. Die potenziell betroffenen Anlagen wurden zwischen 1965 und 1982 errichtet. Die LUA erhofft sich „punktuelle Auflagen“, auf politischer Ebene befürchtet man im schlimmsten Fall den Abriss und spricht von millionenschweren Aufwänden. In Rechtskreisen diskutiert man über weitere Konsequenzen wie Betriebseinstellungen, Verwaltungsstrafen und UWG-Klagen von Mitbewerbern. Und das alles vor dem Hintergrund des Ziels eines klimaneutralen Österreichs bis 2040, der weltpolitischen Krisenlage und Energiepreisen auf Rekordniveau … Manchmal reicht es nicht den Kopf zu schütteln oder „Where is my mind“ in der Dauerschleife zu hören. Hin und wieder muss man aktiv den Schalter im Kopf von „Verhindern“ auf „Ermöglichen“ legen. Dazu ein paar Denkanstöße:

  1. Schon die Grundannahme einer fehlenden Naturschutzbewilligung ist in Zweifel zu ziehen. Nicht jedes Vorhaben ist naturschutzrechtlich Bewilligungspflichtig (das gilt für heute und für die Vergangenheit). Konkret muss die Bewilligungspflicht für jeden Einzelfall genau geprüft werden. In der Judikatur existieren mehrere (Grenz-) Fälle, in denen eine belangte Behörde Wasserkraftwerken eine naturschutzrechtliche Bewilligungspflicht attestierte, diese jedoch von einer höheren Instanz – nach erfolgter Detailprüfung – verneint wurde.
  2. Bei der Prüfung einer potenziellen naturschutzrechtlichen Bewilligungspflicht müssen viele Facetten berücksichtigt werden. Wird in einigen Fällen eine Bewilligungspflicht schon an der fehlenden Anwendbarkeit der relevanten unionsrechtlichen Vorgaben scheitern (so sind etwa die Vorgaben der Fauna-Flora-Habitat- und der Vogelschutzrichtlinie erst ab dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union am 01.01.1995 anwendbar), wird diese in anderen Fällen über die Auslegung des in der Vergangenheit anzuwendenden Rechtsstandes zu verneinen sein (wenn zB in der Vergangenheit „Bauten an Flüssen“ einem naturschutzrechtlichen Bewilligungsverfahren unterzogen werden sollten, heißt das keinesfalls zwingend, dass davon auch sämtliche Wasserkraftwerke umfasst waren).
  3. Das Wasserrecht folgt mit den zu berücksichtigenden öffentlichen Interessen einem integrativen Ansatz, der infolge des Rücksichtnahmeprinzips auch verfassungsrechtlich gedeckt ist. Neben (kern)wasserrechtlichen und wirtschaftlichen Schutzaspekten werden auch kompetenzfremde Interessen – wie eben der Naturschutz – bei der Entscheidung über einen wasserrechtlichen Bewilligungsantrag beachtet. In Fällen, in denen in einem lange zurückliegenden wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren auch die naturschutzrechtlichen Interessen berücksichtigt wurden, besteht schon aus Schutzzwecküberlegungen kein Grund, von der notwendigen Abhaltung eines nachträglichen zusätzlichen naturschutzrechtlichen Verfahrens auszugehen.
  4. Die Vorschreibung nachträglicher „punktueller Auflagen“ ist dem OÖ Naturschutzgesetz per se fremd bzw würde dies grds einen irgendwann erteilten naturschutzrechtlichen Bewilligungsbescheid voraussetzen. Die Rechtsfolge einer nicht vorhandenen aber eigentlich notwendigen naturschutzrechtlichen Bewilligung wäre die Erlassung eines Auftrages zur Stellung eines Ansuchens auf Erteilung einer nachträglichen naturschutzrechtlichen Bewilligung nach der heutigen Sach- und Rechtslage oder die Erlassung eines Auftrages zur Herstellung des Urzustandes (dh eines Abrisses). In der Systematik der Normen zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes des OÖ Naturschutzgesetzes (vgl § 58 leg cit) gäbe es zwar theoretisch auch noch die Möglichkeit, wenn die Herstellung des Urzustandes tatsächlich nicht möglich ist (was wohl schon in Hinblick auf die zu erreichenden Klimaschutzziele gut argumentiert werden könnte), den geschaffenen Zustand „nur“ in einer Weise abändern zu müssen, dass Natur und Landschaft möglichst wenig beeinträchtigt werden (dies käme dann am ehesten einer nachträglichen Auflage gleich) – neben dbzgl im Detail zu klärenden Rechtsfragen scheint dies aber schon aus der Perspektive der Verhältnismäßigkeit und aus grundrechtlichen Überlegungen nicht vertretbar.
  5. Ergibt sich im wasserrechtlichen Verfahren „nach Erteilung der Bewilligung … dass öffentliche Interessen (§ 105) trotz Einhaltung der im Bewilligungsbescheid oder in sonstigen Bestimmungen enthaltenen Auflagen und Vorschriften nicht hinreichend geschützt sind, hat die Behörde … die nach dem nunmehrigen Stand der Technik (§ 12a) zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzliche Auflagen vorzuschreiben, Anpassungsziele festzulegen und die Vorlage entsprechender Projektsunterlagen über die Anpassung aufzutragen“ (vgl § 21 a WRG). Sollten von der LUA „punktuelle Auflagen“ in diesem Sinne gemeint sein, muss Folgendes berücksichtigt werden: Zum einen können die Voraussetzungen des § 21a WRG – also ein mangelnder Schutz öffentlicher Interessen – nicht dadurch erfüllt werden, dass mehrere Medienberichte erscheinen, in denen das vermeintliche Fehlen naturschutzrechtlicher Bewilligungen moniert wird; wenn man der Meinung gewesen wäre, dass öffentliche Interessen trotz Einhaltung der im wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid oder in sonstigen Bestimmungen enthaltenen Auflagen und Vorschriften nicht hinreichend geschützt sind, hätte man unabhängig von der naturschutzrechtlichen Archivrecherche auf die Einleitung eines § 21a WRG – Verfahrens hinwirken müssen. Zum anderen würde der naturschutzfachlich induzierte Wunsch nach einer Auflagenvorschreibung gem § 21a WRG wohl indizieren, dass man eigentlich sehr wohl davon ausgeht, dass naturschutzfachliche Interessen im Rahmen der aufrechten wasserrechtlichen Bewilligungen mitberücksichtigt wurden und bliebe demnach wie zuvor geschildert kein Raum für ein nachträgliches zusätzliches naturschutzrechtliches Verfahren.
  6. Würde man trotz alledem und im Angesicht der Energiewende dennoch darauf beharren, dass bei zahlreichen der für Österreich extrem wichtigen Wasserkraftwerke, die seit Jahrzehnten in Oberösterreich verlässlich grünen Strom liefern, eine naturschutzbehördliche Bewilligung fehlt, gäbe es nur eine konstruktive Lösung: Eine schnelle Novelle des Oberösterreichischen Naturschutzgesetzes, mit der eine Amnestieregelung im Sinne eines rechtmäßigen Bestandes implementiert wird. Solche Regelungen sind verfassungsrechtlich zulässig und gibt es diese zB im Baurecht (vgl zB § 40 Steiermärkisches Baugesetz).

Neue Wege lassen sich nicht mit altem Verhinderungs-Denken beschreiten – schauen wir auf das große Ganze und entwickeln wir Lösungen.

Mario Laimgruber

Ing. Mario Laimgruber, LL.M. ist Rechtsanwalt mit dem Tätigkeitschwerpunkt Umwelt- und Anlagenrecht.


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