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What’s my age again? Das Lebensende von PV-Modulen und daraus resultierende Haftungsfallen

Julius Spieldiener | 11.09.2023

Solar Photovoltaik Abfallrecht Entsorgung Verträge Spieldiener Laimgruber Rechtsanwalt
Derek Sutton on unsplash

Photovoltaikmodule sind in den letzten 20 bis 25 Jahren zum unverzichtbaren Bestandteil der Energiewende geworden. Die meisten PV-Module erreichen eine Lebensdauer von ca 25 Jahren – für viele ist somit ihre Zeit gekommen oder wird dies bald der Fall sein. Betroffenen ist oftmals nicht bewusst, dass mit dem Lebensende von PV-Modulen zahlreiche abfallrechtliche Haftungsfallen einhergehen können. Grundsätzlich gilt: Vorsicht ist besser (und in der Regel wohl auch günstiger) als Nachsicht. Die relevantesten Aspekte zu diesem Thema haben wir für Sie untenstehend zusammengefasst.

1. Wann und wie werden PV-Module zu Abfall?

PV-Module können aus zwei Gründen die Abfalleigenschaft erfüllen (§ 2 Abs 1 Z 1 und Z 2 AWG 2002):

  • Durch die Entledigungsabsicht eines Abfallbesitzers – zB möchte jemand ein funktionstüchtiges, aber beschränkt leistungsfähiges PV-Modul durch ein neues ersetzen und möchte gleichzeitig das alte PV-Modul loswerden oder
  • die Sammlung & Behandlung als Abfall ist aufgrund gefährlicher Eigenschaften notwendig – zB aufgrund eines beschädigten PV-Moduls mit Cadmiumtellurid.

Hier kann schon die erste potenzielle Haftungsfalle ausgemacht werden: PV-Module werden oft schneller zum Abfall, als es den Betroffenen bewusst ist. Die Entledigungsabsicht eines Abfallbesitzers reicht bereits dafür aus, dass eine Sache Abfall wird und erst durch eine entsprechende Abfallbehandlung ein Abfallende erreicht werden kann. Ob eine Sache noch verwendet werden kann oder ungefährlich ist, wäre in solchen Fällen irrelevant (VwGH 25.09.2014, Ro 2014/07/0032). Erfährt die Behörde, zB durch eine anonyme Anzeige eines besorgten Nachbarn oder eines Mitbewerbers, „von herumliegenden alten PV-Modulen im Garten oder der Betriebsanlage“, kann dies zur Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens führen.

2. Um welchen Abfall handelt es sich bei PV-Modulen?

In Österreich wird in der Abfallverzeichnisverordnung 2020 jedem Abfall eine Abfallschlüsselnummer zugeordnet. Bei PV-Modulen wird zwischen zwei Abfallschlüsselnummern (ASN) unterschieden:

  • ASN 35215 g betrifft nicht siliciumbasierte PV-Module, Dünnschicht und Kombinationszellen die zB Galliumarsenid, Cadmiumtellurid, Indiumphosphid enthalten; auch „Kombinationszellen“ (Mehrfachsolarzellen), die Schichten unterschiedlicher Halbleiter enthalten und nicht nur aus Silicium bestehen sowie sonstige gefährliche Photovoltaikmodule (gefährlicher Abfall)
  • ASN 32516 betrifft PV-Module mit Solarzellen aus (mono- und poly-) kristallinem Silizium sowie aus amorphem Silizium oder Siliciumcarbid sowie sonstige nicht gefährliche Photovoltaikmodule (nicht gefährlicher Abfall)

Auch aus der fehlenden oder falschen Kenntnis über die „Inhaltsstoffe“ eines PV-Moduls kann sich eine potenzielle Haftungsfalle ergeben. Müssen PV-Module als Abfall verwertet oder beseitigt werden, kann die Einstufung als gefährlicher Abfall mit erhöhten Verwertungs- oder Beseitigungskosten einhergehen.

3. Welche abfallrechtlichen Pflichten sind zu beachten?

PV-Module unterliegen als Abfall dem AWG 2002 sowie der darauf basierenden Elektroaltgeräteverordnung.

Liegt Abfall vor, stellt sich die Frage, welchen Personen daraus Verpflichtungen erwachsen und wie diese ausgestaltet sind.

Das AWG 2002 knüpft zunächst an den Abfallbesitzer an. Gemäß § 2 Abs 6 Z 1 lit a und lit b AWG 2002 ist Abfallbesitzer der Abfallerzeuger oder jede Person, welche die Abfälle innehat. Es reicht somit bereits die Innehabung der Abfälle aus (VwGH 22.03.2012, 2008/07/0204, mwN). Auf einen „Besitzwillen“ (des Inhabers) kommt es nicht an (VwGH 28.05.2019, Ro 2018/05/0019). Der Begriff „Abfallbesitzer“ ist weitauszulegen.

Ist der Abfallbesitzer zu einer entsprechenden Behandlung nicht berechtigt oder imstande, hat er die Abfälle einem zur Sammlung oder Behandlung Berechtigten zu übergeben (§ 15 Abs 5 erster Satz AWG 2002). Weiters ist der Abfallbesitzer verantwortlich, dass die Abfälle an einen Berechtigten übergeben werden und die umweltgerechte Verwertung oder Beseitigung dieser Abfälle explizit beauftragt wird (§ 15 Abs 5a lit a und b AWG 2002).

Aus der unspezifischen Begrifflichkeit der „Innehabung des Abfalles“ kann sich eine weitere Haftungsfalle ergeben. Fraglich könnte zB sein, wer in verschiedenen Betreiberkonstellationen (Pacht, Leasing, etc) für die Verwertung oder Beseitigung von PV-Modulen verantwortlich ist, wenn diese zB durch Unwetter oder Vandalismus zerstört werden.

Oftmals wird auch die Elektroaltgeräteverordnung (EAG-VO) übersehen, die spezielle Reglung zur Sammlung, Behandlung und Rücknahme von PV-Modulen beinhaltet. Besonderen Verpflichtungen unterliegt hier der Hersteller. Entgegen des Wortlautes gilt als Hersteller jedoch nicht nur der Hersteller der PV-Module selbst, sondern insbesondere auch sinngemäß (§12a Abs 1 Z 1 bis 5 AWG 2002):

  • Jede Person, die in Österreich niedergelassen ist und PV-Module konzipieren und herstellen lässt und unter ihrem Markennamen verkauft
  • Jede Person, die in Österreich niedergelassen ist und PV-Module erwerbsmäßig nach Österreich einführt oder aus Österreich zur Abgabe an Letztverbraucher ausführt
  • Jede Person, die ihren Sitz in der EU hat, PV-Module in Österreich an andere als Letztverbraucher vertreibt und einen Bevollmächtigten zur Erfüllung von Verpflichtungen betreffend die Abfallvermeidung und -verwertung bestellt hat
  • Jede Person, die in der EU oder einem „Nicht EU Staat“ niedergelassen ist und PV-Module in Österreich mit Hilfe der Fernkommunikationstechnik (zB Onlineshop) gewerblich direkt an Letztverbraucher vertreibt

Der bloße Weiterverkäufer, der in Österreich niedergelassen ist und PV-Module anderer Anbieter unter ihrem Markennamen weiterverkauft, ist grundsätzlich kein Hersteller.

Für die oben genannten Hersteller gibt es – je nach Zeitpunkt des Inverkehrsetzens der PV-Module – unterschiedliche Verpflichtungen zur unentgeltlichen Rücknahme (§ 10 Abs 1 und 2 EAG-VO):

  • Photovoltaikmodule, die vor dem 1. Juli 2014 in Verkehr gesetzt wurden, sind unentgeltlich zurückzunehmen, wenn die Hersteller diese durch Neugeräte ersetzen, welche dieselbe Funktion erfüllen.
  • Photovoltaikmodule, die nach dem 30. Juni 2014 in Verkehr gesetzt wurden, sind durch den Hersteller unentgeltlich zurückzunehmen.

Eine abweichende Kostentragung ist bei PV-Modulen für gewerbliche Zwecke möglich, bei PV-Modulen für private Haushalte gelten die oben genannten Reglungen (§ 10 Abs 3 EAG-VO).

Die Kenntnis über die Verpflichtungen von Herstellern zur unentgeltlichen Rücknahme kann zu vermeidbaren Verwertungs- und Entsorgungskosten führen und kann sich eine dahingehende Vorab- Berücksichtigung in PV-spezifischen Verträgen (Pacht, Leasing, etc) gegebenenfalls auch positiv auf spätere Haftungsdiskussionen auswirken oder diese gänzlich vermeiden.

4. Fazit

Neben der generellen Kenntnis der abfallrechtlichen Rahmenbedingungen zeigt sich, dass insbesondere bei PV-spezifischen Verträgen durch eine rechtlich solide Ausgestaltung abfallrechtliche Haftungsfallen vermieden werden können. Unklare oder im Widerspruch mit den abfallrechtlichen Vorgaben stehende Reglungen können gegebenenfalls zu (teuren) Rechtsstreitigkeiten führen. Bei Beratungsbedarf steht Ihnen unsere Praxisgruppe 360° Erneuerbare Energie gerne zur Verfügung.

Julius Spieldiener

Mag. Julius Spieldiener ist Rechtsanwaltsanwärter bei Haslinger / Nagele. Während seines Studiums war er als Studienassistent am Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft an der Karl-Franzens-Universität Graz tätig. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Verwaltungs- und Verfassungsrecht, insb. im Umweltrecht.

Mario Laimgruber

Ing. Mario Laimgruber, LL.M. ist Rechtsanwalt mit dem Tätigkeitschwerpunkt Umwelt- und Anlagenrecht.


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