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Zoll, zöller, am zöllsten? Omnibus und Neuerungen bei CBAM (vulgo CO2-Zoll)

Johannes Hartlieb, Cornelia Lanser, Alexander Gimona | 03.04.2025

Foto von Ian Taylor auf Unsplash

Das Wort Zoll, dessen begriffliche Schönheit jüngst von einem bekannten Politiker hervorgehoben wurde, ist aktuell in aller Munde. Lange totgesagt, erleben tarifäre Handelshemmnisse eine Renaissance. Dabei lässt sich trefflich darüber streiten, ob man den Europäischen Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) als Zoll bezeichnen kann oder nicht, was freilich für die inhaltliche Beurteilung keine Rolle spielt.

Seit seiner Einführung ist das CBAM-System mit viel Kritik konfrontiert. Die einführenden Vereinfachungsmaßnahmen zeigen, dass auch die Europäische Kommission den europäischen Unternehmen eine Adaptierungsphase zugesteht. Nichtsdestotrotz ist die Kritik an CBAM nicht abgerissen.

Dies hat die Europäische Kommission letztlich dazu veranlasst, mit dem am 26. Februar 2025 vorgestellten „Omnibus 1“-Paket weitere Schritte zur Vereinfachung des CO₂-Grenzausgleichssystems zu unternehmen. Ziel der Reform ist es, administrative Hürden für Unternehmen abzubauen, insbesondere KMUs zu entlasten, ohne dabei die Wirksamkeit des CBAM im Sinne des Klimaschutzes zu mindern.

Hintergrund: CBAM in der Übergangsphase

CBAM wurde mit der Verordnung (EU) 2023/956 eingeführt und befindet sich seit Oktober 2023 in einer Übergangsphase. Ziel des Mechanismus ist es, eine CO₂-Bepreisung für aus Drittländern importierte, emissionsintensive Produkte einzuführen. Damit sollen Wettbewerbsverzerrungen und sog. „Carbon Leakage“-Effekte, d.h. die Verlagerung von emissionsintensiven Produktionen in Drittländer mit weniger strengen Klimaschutzanforderungen, vermieden werden.

Wir haben bereits hier ausführlich über CBAM berichtet.

Ziel der Reform ist es, administrative Hürden für Unternehmen abzubauen, insbesondere KMUs zu entlasten.

Die wichtigsten Neuerungen der „Omnibus 1“-Initiative

1. De-minimis-Schwelle: 99 % der importierten Emissionen weiterhin erfasst

Kernstück der Reform ist die Einführung eines jährlichen Mengenschwellenwerts von 50 Tonnen Nettomasse CBAM-relevanter Waren pro Importeur. Unternehmen, deren Produktionsmenge unterhalb dieser Schwelle liegt, sollen von den CBAM-Pflichten ausgenommen werden. Rund 90 % der bisherigen CBAM-Anmelder sollen dadurch entlastet werden, ohne dass der Mechanismus an klimapolitischer Schlagkraft verliert: Laut Kommission fallen weiterhin über 99 % der importierten Emissionen unter CBAM.

2. Erleichterungen bei Berichterstattung und Berechnung

Für Unternehmen, die weiterhin unter die CBAM-VO fallen, sieht die Reform mehrere Erleichterungen vor:

  • Delegation der Berichterstattung: Künftig kann ein sogenannter CBAM-Vertreter benannt werden, der im Namen des Importeurs die CBAM-Erklärung abgibt. Dies vereinfacht insbesondere für kleinere Unternehmen die operative Umsetzung.
  • Standardwerte für Emissionen: Die Berechnung „grauer Emissionen“ – also der CO₂-Emissionen bei der Herstellung und Stromnutzung im Ursprungsland – soll durch erweiterte Standardwerte vereinfacht werden. Für bestimmte Güter wie Aluminium oder Eisen sollen künftig nur noch die Emissionen der Vorprodukte einbezogen werden.
  • Einführung von Standard-CO₂-Preisen: Kann der im Ursprungsland gezahlte CO₂-Preis nicht nachgewiesen werden, dürfen künftig von der Kommission festgelegte Durchschnittswerte genutzt werden. Dies reduziert Aufwand und Unsicherheit bei der Anrechnung bereits gezahlter CO₂-Kosten.

3. Verschiebung des Zertifikateverkaufs auf Februar 2027

Der eigentlich für Januar 2026 geplante Start des Verkaufs von CBAM-Zertifikaten wurde auf den 1. Februar 2027 verschoben. Grund dafür sind technische und organisatorische Herausforderungen, etwa die Anbindung des CBAM-Registers an die zentrale Verkaufsplattform. Damit bleibt den Unternehmen mehr Zeit zur Vorbereitung auf die verpflichtende Phase des Mechanismus.

4. Schärfere Regeln gegen Umgehung und Missbrauch

Um den Missbrauch des Systems zu verhindern und seine Integrität zu sichern, plant die Kommission zudem, verschärfte Vorschriften und eine gemeinsame Strategie mit den nationalen Behörden zur Umgehungsbekämpfung.

Ausblick: Erweiterung und Überprüfung ab 2026

Die Omnibus 1-Reform ist nur ein Zwischenschritt. Für Anfang 2026 plant die Kommission eine umfassende Überprüfung des CBAM, inklusive der Möglichkeit, den Anwendungsbereich auf weitere ETS-Sektoren und nachgelagerte Produkte auszudehnen. Auch die Position von EU-Exporteuren soll dabei in den Blick genommen werden.

Bis dahin bleibt die genaue Ausgestaltung der Vorschläge im politischen Prozess offen: Die Reformvorschläge müssen im ordentlichen EU-Gesetzgebungsverfahren vom Europäischen Parlament und dem Rat verabschiedet werden.

Kritische Würdigung

Zwar bringt die neue Initiative Erleichterungen, für die betroffenen Unternehmen dürften diese jedoch nicht weit genug gehen. Weiterhin nicht berücksichtigt bleibt insbesondere das Äquivalenzprinzip (Export-Lücke):

Diese bestehende Lücke für exportierende EU-Unternehmen führt zu einer Chancenungleichheit für EU-Unternehmen auf Märkten in Drittländern. Der Grenzausgleich erfolgt nämlich nur auf Importseite; Exporte von EU-Unternehmen in das nicht europäische Ausland sind weiterhin nicht geregelt. Somit müssen europäische Unternehmen, die in Drittländer exportieren, CO2-Kosten tragen, während in Drittländern ansässige Unternehmen keine vergleichbaren Zusatzkosten treffen. Dieser Umstand begünstigt „Carbon Leakage“ und behindert die Transformation der besonders stark betroffenen Industrien (wie z.B. Zement oder Stahl). Aktuell wirken dem noch die Gratiszertifikate entgegen, die jedoch bereits jetzt stark verringert und bis 2034 auslaufen werden.

Die geplanten Änderungen der CBAM-Verordnung im Rahmen der Omnibus 1-Initiative markieren somit insgesamt eine gewisse Entlastung für einige Unternehmen – insbesondere für KMU – und tragen zur operativen Umsetzbarkeit des komplexen Instruments bei. Unternehmen sollten die laufenden Entwicklungen genau verfolgen, ihre Lieferketten prüfen und sich frühzeitig auf mögliche Erweiterungen des Mechanismus vorbereiten.

Johannes Hartlieb

Johannes Hartlieb

Dr. Johannes Hartlieb, BSc ist Rechtsanwalt und auf Regulierungs-, Vergabe- und Wettbewerbsrecht spezialisiert.

Cornelia Lanser

Dr. Cornelia Lanser, LL.M. ist Rechtsanwältin bei Haslinger / Nagele Rechtsanwälte.

Alexander Gimona

Alexander Gimona, LL.B. (WU) ist juristischer Mitarbeiter bei Haslinger / Nagele Rechtsanwälte.


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