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Requiem für das wasserrechtliche Widerstreitverfahren?

Mario Laimgruber | 28.06.2021

Akira Hojo on unsplash

Vor Kurzem wurde eine Arbeit zum Thema Defizite und Potenziale des wasserrechtlichen Widerstreitverfahrens veröffentlicht (Rockenschaub, Defizite und Potenziale des wasserrechtlichen Widerstreitverfahrens, Schriftenreihe RdU [2021]).  Mario Laimgruber wurde von der Zeitschrift für das Recht der nachhaltigen Entwicklung („Nachhaltigkeitsrecht“, „NR“) eingeladen, auf die Publikation Bezug zu nehmen und einen kurzen Beitrag zum Schwerpunkt abzufassen. Den ganzen Beitrag finden Sie hier, die wesentlichen Gedanken zur Problemlage und zum Thema Nachhaltigkeit in der Folge.

Wer gewinnt den Widerstreit?

Wir sind umgeben von Situationen, in denen Menschen dasselbe wollen, es aber nicht in ausreichendem Maße zur Befriedigung aller vorhanden ist. Für die Frage, wie bei einem Bewerberüberhang hinsichtlich begrenzt zu vergebender Rechtspositionen eine Auswahlentscheidung getroffen werden kann, existiert im Wasserrecht mit dem sogenannten Widerstreitverfahren ein altes Instrument, das einer grundsätzlich genialen Überlegung folgt: Wenn verschiedene geplante Projekte miteinander konkurrieren, soll schlussendlich jenes verwirklicht werden dürfen, welches dem öffentlichen Interesse am besten dient (vgl §§ 17 u 109 WRG). „Gewinnen“ sollten also grundsätzlich wir alle in der Gesamtheit unserer Gesellschaft.

Die Verzahnung einzelner Bewilligungsverfahren mit einem davon getrennt durchzuführenden Vorzugsentscheidungsverfahren bringt allerdings eine Vielzahl (verfahrensrechtlicher) Probleme mit sich, welche die Realität anders aussehen lassen: Aus Projektwerberperspektive hat in der Vergangenheit oft der gewonnen, welcher den längsten Atem hatte (und gerade nicht das Projekt, das dem öffentlichen Interesse am besten dient) bzw wurden Verfahren überhaupt nicht – zumindest nicht im Sinne des Widerstreitregimes – beendet (Stichwort: überlange Verfahrensdauern; fragwürdiges verfahrensrechtliches Taktieren; finanzielle Lösungen abseits des eigentlichen Vorzugsregimes; etc). Leider gehen die kürzlich gesetzten gesetzgeberischen Problembewältigungsversuche am eigentlichen Ziel, nach dem bei einer Projektrealisierung auch die Allgemeinheit gewinnen soll, vorbei.

Mit der WRG-Novelle 2017 wurde der mögliche Beitrittszeitpunkt zum Widerstreitverfahren so verlagert, dass es nur noch in den seltensten Fällen überhaupt zu einem Auswahlverfahren kommen kann (in der Kollegenschaft wurde dies oftmals bereits mit dem Tod des Instrumentes Widerstreit gleichgesetzt). Den Sieg über das Problem der Einreichung provozierender Verhinderungs-Projekte (welche in der Vergangenheit oft die Hauptfaktoren in puncto Verfahrensverzögerungen waren) kann sich der Gesetzgeber jedenfalls nicht an die Fahne heften, wenn dieser „Erfolg“ nur aus dem Umstand resultiert, dass es überhaupt nicht mehr zur Durchführung von Widerstreitverfahren kommt (obwohl dies nach wie vor sinnvoll wäre). Selbst wenn der verfahrensrechtliche Lösungsversuch in Bezug auf die Knappheitskonstellation im Wasserrecht am Ende am Papier einen Obsiegenden hervorbringen soll – wirkliche Gewinner sucht man meist vergebens.

Nachhaltigkeit durch Investitions- und Rechtssicherheit

Zum Thema nachhaltige Entwicklung wird hervorgehoben, dass verfahrensrechtlichen Regelungen in Auswahlverfahren zum Treffen von Zuteilungsentscheidungen insbesondere auch grundrechtssichernde und rechtsschutzsichernde Funktionen zukommen und damit der Boden für nachhaltige Investments bereitet werden kann: Je sicherer ich mir als Projektwerber sein kann, dass sich mein Projekt(entwicklungsaufwand) rentieren wird, weil ich das Projekt bei entsprechender Ausgereiftheit auch tatsächlich über meinen Planungshorizont hinweg realisieren kann (und nicht zB von einem Konkurrenten mit einem schwächeren Projekt überholt werde), desto eher werde ich mich auf die Unternehmung einlassen. Sofern die Zuteilungsregeln – wie im wasserrechtlichen Widerstreit – auch sicherstellen, dass ich die angestrebte sichere Rechtsposition nur erlangen und behalten kann, wenn ich auch mit dem iSd öffentlichen Interesses besten Projekt ins Rennen gehe, wird dadurch ein wesentlicher Anreiz zur Nachhaltigkeit gesetzt.

Mögliche Neustrukturierungen des wasserrechtlichen Widerstreitverfahrens (zB iSe ganzheitlichen Verfahrens unter Berücksichtigung der notwendigen Publizität, Transparenz und Beteiligungsmöglichkeiten) könnten einen Beitrag dazu leisten, das alte aber grundsätzlich brillante Instrument „Widerstreit“, welches im Wasserrecht durch die WRG-Novelle 2017 paralysiert wurde, wieder aus der Versenkung hervorzuholen. Vielleicht wäre sogar die Heranziehung des Instrumentes Widerstreit in anderen Bereichen anzudenken, in denen knappe Ressourcen und diesbezügliche Rechtspositionen möglichst nachhaltig verteilt werden sollen. Damit es dann aber nicht wieder nur zum hohlen Triumph eines projektwerbenden Siegers am Papier führt und tatsächlich auch wir als Gesellschaft gewinnen, müsste der Gesetzgeber beim „Relaunch“ aus den praktischen Fehlern der Vergangenheit und insbesondere auch aus den gescheiterten Problembewältigungsversuchen lernen.

Mario Laimgruber

Ing. Mario Laimgruber, LL.M. ist Rechtsanwalt mit dem Tätigkeitschwerpunkt Umwelt- und Anlagenrecht.


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