Mit Strafrecht zu mehr Umweltschutz
Wir haben uns für Sie die EU-Richtlinie 2024/1203 über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt genauer angesehen.
Lisa Forst, Kaleb Kitzmüller | 16.11.2022
Der Ausbau der Erneuerbaren läuft schleppend. Trotz der unüberhörbaren Warnungen vor einer zu langsamen Reduktion der Treibhausgas Emissionen – zuletzt etwa durch den UNEP Emissions Gap Report 2022. Schuld daran ist auch oft die lange Verfahrensdauer.
Mit einem am 09.11.2022 vorgestellten Entwurf einer befristeten DringlichkeitsVO gemäß Artikel 122 AEUV soll neuer Schwung in Verfahren zur Bewilligung von erneuerbaren Energieträgern gebracht werden. Diese Verordnung soll eine massive Beschleunigung von innerstaatlichen Verwaltungsprozessen vorsehen, um die Nutzung von erneuerbaren Energieressourcen zu beschleunigen.
Gemäß Art 122 Abs 1 AEUV kommt dem Rat die Befugnis zu, auf Vorschlag der Kommission über die der Wirtschaftslage angemessenen Maßnahmen zu beschließen, insbesondere falls gravierende Schwierigkeiten in der Versorgung mit bestimmten Waren, vor allem im Energiebereich, auftreten. Krisen im Energiebereich sind dabei zwar nach dem Wortlaut explizit aufgezählt, jedoch nur einer der möglichen Anwendungsfälle. Eine Beteiligung des europäischen Parlaments ist in einem solchen Verfahren nicht vorgesehen. Insgesamt wird dem Rat mit dieser Vorschrift ein weiter inhaltlicher Gestaltungsspielraum eingeräumt.
(1) Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission unbeschadet der sonstigen in den Verträgen vorgesehenen Verfahren im Geiste der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten über die der Wirtschaftslage angemessenen Maßnahmen beschließen, insbesondere falls gravierende Schwierigkeiten in der Versorgung mit bestimmten Waren, vor allem im Energiebereich, auftreten.
(2) Ist ein Mitgliedstaat aufgrund von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Ereignissen, die sich seiner Kontrolle entziehen, von Schwierigkeiten betroffen oder von gravierenden Schwierigkeiten ernstlich bedroht, so kann der Rat auf Vorschlag der Kommission beschließen, dem betreffenden Mitgliedstaat unter bestimmten Bedingungen einen finanziellen Beistand der Union zu gewähren. Der Präsident des Rates unterrichtet das Europäische Parlament über den Beschluss.
Art 122 AEUV
Als Rechtsform für die nach Art 122 AEUV zu erlassenden Maßnahmen können neben VO’s auch Entscheidungen, Beschlüsse oder Richtlinien in Frage kommen.
Art 122 AEUV ist im Kapitel Wirtschaftspolitik enthalten und nimmt explizit auf eine der „Wirtschaftslage angemessene Maßnahme“ Bezug, dient also dem wirtschaftlichen Krisenmanagement. In der Verordnung wird diesbezüglich ein ausdrücklicher Konnex mit dem Russland/Ukraine-Krieg hergestellt und natürlich auch die Klimakrise selbst als Grundlage herangezogen. In Verbindung mit dem Hintergrund der Klimakrise, deren Folge auch maßgebliche wirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen werden, hätte man diese langfristige wirtschaftliche Bedrohung durch Umweltkatastrophen etc jedoch noch mehr in den Vordergrund rücken können.
Ironie des Schicksals: Eine der DringlichkeitsVO 2006 vorausgegangene maßgebliche Maßnahme iSd Art 122 Abs 1 AEUV war die auf Art 100 Abs 1 EGV, dem Vorläufer von Art 122 AEUV, gegründete Richtlinie des Rates zur Verpflichtung der Mitgliedsstaaten, Mindestvorräte an Erdöl und/oder Erdölerzeugnisse zu halten (RL 2006/67 EG, ABl. 2006 L 217/8).
Die EU einigte sich bereits in Form des Green Deals, erneuerbare Energien zu fördern und damit den Umstieg auf saubere Energien schrittweise umzusetzen. Jedoch geschieht dies vor dem Hintergrund der aktuellen geopolitischen Spannungen nicht schnell genug:
Erhöhte Inflation, steigende Energiekosten sowie die rekordverdächtigen Erdgaspreise im Sommer und immer weiter schwankende Energiekosten führten zu einer sozialen wie wirtschaftlichen Krise für Bürger und Unternehmer. Diesen Umständen trägt die Kommission durch den Entwurf der befristeten DringlichkeitsVO Rechnung und schlägt vor, dass langwierige und komplizierte Verwaltungsverfahren beschleunigt und vereinfacht werden.
überwiegendes öffentliches Interesse: Ein wichtiger Punkt ist die Festlegung, dass der Planung, dem Bau und dem Betrieb von Erneuerbaren Energie-Anlagen (also zB PV-, Wind-, Wasser-, und Speicherkraftanlagen) und deren Netzverbindungen sowie von Energienetzen selbst „überwiegendes öffentliches Interesse‘‘ („overriding public interest„) zukommen soll. Dies kann grundlegende Auswirkungen auf die Interessensabwägung in Einzelverfahren haben. Dies soll für Genehmigungsverfahren gelten, die während der Anwendbarkeit der Verordnung starten.
Gemäß Art 3 Abs 1 des Entwurfs sollen Verfahren zur Bewilligung von Photovoltaikanlagen auf Bauwerken, sowie der zugehöriger Speicheranlagen innerhalb von maximal einem Monaten abgeschlossen sein.
Für kleine PV-Anlagen bis zu einer Leistung von 50kW soll eine Genehmigungsfiktion gelten, wonach die Anlage als genehmigt gilt, sofern nicht binnen einem Monat ab dem Antrag eine Rückmeldung durch die Behörde erfolgt.
Gemäß Art 5 des Entwurfs sollen Verfahren zur Bewilligung von Wärmepumpen innerhalb von maximal drei Monaten abgeschlossen sein. Netzverbindungen zu Wärmeübertragungs- oder Verteilernetzen von einer Kapazität bis zu 12 kW bzw 50 kW sollen einer bloßen Anzeigepflicht unterliegen.
Gemäß Art 6 des Entwurfs sollen Verfahren zur Bewilligung eines Repowering (inkl der notwendigen Netzverbindungen)innerhalb von maximal sechs Monaten abgeschlossen sein. Sofern die Kapazitätserhöhung der Anlage 15% nicht übersteigt soll das Genehmigungsverfahren betreffend die Netzverbindung innerhalb eines Monats abgeschlossen sein. Sofern das Repowering von PV-Anlagen keine weiteren Flächen erfordert und weiterhin mit bestimmten Anforderungen des ursprünglich genehmigten Projektes übereinstimmt, soll eine Genehmigungspflicht überhaupt entfallen.
Die DringlichkeitsVO soll für ein Jahr ab in Kraft treten gelten und dient damit auch der Überbrückung bis zur Neufassung der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie („RED III“).
Interessant ist, dass in Genehmigungsverfahren die gemäß Art 3, 4, und 5 des Entwurfs geführt werden, alle Entscheidungen öffentlich zugänglich sein sollen („…decisions resulting from permit-granting processes shall be publicly available.“). Behördliche Veröffentlichungspflichten in Hinblick auf einzelne Verfahrensergebnisse oder in Hinblick auf die Entscheidung im Wege einer Kundmachung sind dem Umweltrecht nicht fremd. Auch zahlreiche nationale Materiengesetze sehen dies vor, wobei der Kreis derjenigen, die Zugang zu den Veröffentlichungen haben, teilweise eingeschränkt ist; ein Umweltinformationsbegehren ist in solchen Fällen nicht erforderlich, weil die Information ohnehin auf der Behördenhomepage einsehbar ist.
Die Wendung „make available“ findet etwa Anwendung in der UVP-RL, zB Art 9, in dem es um die Veröffentlichung von bestimmten Inhalten der Entscheidung geht (arg: „shall make available to the public“). Anders als in der DringlichkeitsVO werden aber die zu veröffentlichenden Inhalte durch taxative Auflistung eingeschränkt.
Mit uns kommen Sie mit Hochspannung durch die Energiewende! Der 360°EE-Newsletter sorgt regelmäßig für frischen Wind in Ihrem E-Mail-Postfach. Einfach anmelden und mit einem Klick zur Erleuchtung! Natürlich auch jederzeit wieder abbestellbar.
Wir haben uns für Sie die EU-Richtlinie 2024/1203 über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt genauer angesehen.
Ist die Energiewende jetzt Teil des Kärntnerliedes?
Wobei Ihnen das helfen kann lesen Sie hier.