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„Fit for 55“: Verschärfungen für Gebäude- und Verkehrssektor im EU-EHS

Johannes Hartlieb, Lisa Forst, Lucas Haring | 09.06.2023

etiennegirardet auf Unsplash

Mit dem Maßnahmenpaket „Fit for 55“ will die Europäische Union eine Reduzierung der Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 erzielen. Wichtigster Eckpfeiler des Programms ist eine Reform des Europäischen Emissionshandelsrechts (EU-EHS), dessen Inkrafttreten nach der kürzlich erfolgten Einigung im Europäischen Parlament sowie der Annahme im Europäischen Rat naht.

Verschärfungen im Emissionshandelsrecht

Mit dem 2005 eingeführten EU-Emissionshandelssystem (RL 2003/87/EG) wird der Emission von Treibhausgasen ein Preis gegeben. CO2-Emittenten haben für die Emission von Treibhausgasen Zertifikate zu erwerben. Jedes Jahr wird die Obergrenze an Zertifikaten in den bislang erfassten Sektoren Strom- und Wärmeerzeugung, den energieintensiven Industriesektoren sowie der gewerblichen Luftfahrt weiter gesenkt. Bis 2050 soll die Emission von Treibhausgasen auf null reduziert werden.

Mit den nunmehr beschlossenen Vorkehrungen sollen Emissionsrechte mittelfristig noch weiter gekürzt werden. Durch die schnellere jährliche Senkung der Obergrenze an Emissionszertifikaten am Markt – statt bislang minus 2,2 Prozent pro Jahr nun minus 4,3 Prozent pro Jahr in den Jahren 2024 bis 2027 bzw minus 4,4 Prozent pro Jahr in den Jahren 2028 bis 2030 – soll bis 2030 eine Reduzierung der Zertifikate um 62 Prozent im Vergleich zu 2005 (statt wie bisher geplant um 43 Prozent) erreicht werden. Besonders profitieren sollen effiziente Unternehmen und Anlagen.

Ferner sollen die bislang kostenlos an den Luftverkehr sowie an besonders im internationalen Wettbewerb stehende Industriesektoren kostenlos verteilten Emissionszertifikate abgeschafft werden. Stattdessen soll zwischen 2026 und 2034 ein Mechanismus zur Anpassung der Kohlenstoffgrenzwerte (CO2-Grenzausgleichssystem – CBAM) eingeführt werden.

Ausweitung des EU-Emissionshandelsrechts

Um auch im Verkehrs- und Gebäudesektor Treibhausgase einzusparen, soll ab 2027 ein neues, separates EHS für Gebäude, Straßenverkehr und die Nutzung fossiler Brennstoffe in gewissen Industriesektoren etabliert werden (EU-EHS II). Gelten soll das neue System für Lieferanten von Brenn- und Kraftstoffen, die für den Verbrauch in Gebäuden und im Straßenverkehr bestimmt sind – Sektoren, die nach dem nationalen NEHG bereits emissionshandelspflichtig sind. Durch die Vorlagerung des Systems sollen die Kraftstofflieferanten und nicht die Haushalte und Fahrer reguliert werden. Die Menge der Zertifikate wird zunächst um 5,10 Prozent und ab 2028 um jährlich 5,38 Prozent reduziert werden. Die Einnahmen des neu geschaffenen Emissionshandels für Gebäude und Straßenverkehr sollen rund 65 Milliarden Euro betragen und ab 2026 bis 2032 einen neuen Klimasozialfonds finanzieren.

Überarbeitung der Lastenverteilungsverordnung

Mit der Lastenverteilungsverordnung (VO (EU) 2018/842) wurden verbindliche nationale Minderungsziele im Zeitraum 2021 bis 2030 für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen in den Sektoren Energie, Industrieprozesse und Produktverwendung, Landwirtschaft und Abfall festgelegt. Damit sollten auch jene Sektoren einer Regulierung unterzogen werden, die nicht vom Emissionshandelssystem erfasst werden. Verpflichtet werden von der Verordnung allerdings nur die EU sowie die Mitgliedstaaten, nicht aber private Unternehmen.

Durch die VO wird eine Reduktion der Treibhausgasemissionen innerhalb der EU von 30 Prozent bis 2030 gegenüber 2005 vorgeschrieben. Anhang I der VO legt für jeden Mitgliedstaat fest, um wie viel Prozent er seine Treibhausgasemissionen bis 2030 gegenüber 2005 verringern muss, damit dieses Ziel erreicht werden kann. Darüber hinaus enthält die Verordnung Vorschriften zur Festlegung der jährlichen Emissionszuweisungen und zur Bewertung der Fortschritte der Mitgliedstaaten bei der Erfüllung ihrer Mindestbeitragsverpflichtungen.

Die Lastenverteilungsverordnung wurde nunmehr durch die VO (EU) 2023/857 geändert. Nunmehr wird eine Reduktion der Treibhausgasemissionen innerhalb der EU um 40 Prozent (statt vorher 30 Prozent) gegenüber dem Stand von 2005 in den Sektoren Energie, Industrieprozesse und Produktverwendung, Landwirtschaft und Abfall vorgesehen. Dementsprechend wurden auch die in Anhang 1 festgelegten Anforderungen an die einzelnen Mitgliedstaaten, die unter Berücksichtigung der jeweiligen Kapazitäten sowie ihrer finanziellen Möglichkeiten auf Basis des BIP festgelegt wurden, angepasst. Diese Änderungen waren ebenfalls notwendig, damit die EU ihr Ziel, bis 2030 eine Reduktion der Treibhausgasemissionen von 55 Prozent im Vergleich zu 1990, erreichen kann.

Ausblick

Die Europäische Union setzt den mit den Neuerungen im Emissionshandelsrecht einen weiteren Schritt in Richtung Klimaneutralität. Spannend zu beobachten wird vor allem sein, wie sich das nationale NEHG zum neu vorgestellten EU-EHS II verhält. Erklärtes Ziel des NEHG ist es, jene Treibhausgasemissionen dem Emissionshandel zu unterwerfen, die nicht dem EU-Emissionshandel unterliegen.

Johannes Hartlieb

Johannes Hartlieb

Dr. Johannes Hartlieb, BSc ist Rechtsanwalt und auf Regulierungs-, Vergabe- und Wettbewerbsrecht spezialisiert.

Lisa Forst

Lisa Forst. LL.B. (WU) war juristische Mitarbeiterin bei der Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH.

Lucas Haring

Lucas Haring war juristischer Mitarbeiter bei Haslinger / Nagele.


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