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EE-Rechtsprechung Aktuell – Volume 1

Kaleb Kitzmüller, Alexander Gimona | 20.03.2024

Photo by Tingey Injury Law Firm on Unsplash

In unserer neuen Reihe „EE-Rechtsprechung Aktuell“ wollen wir Sie über rezente Judikatur rund um Klimaschutz, Nachhaltigkeit und die Energiewende auf dem Laufenden halten.

Erneuerbare Energie aus Windkraft oder Erhaltung des Landschaftsbildes – eine Abwägungsentscheidung (VwGH 23.8.2023, Ro 2022/04/0003)

Nachdem ein Windparkbetreiber die Genehmigung zur Errichtung eines neuen Windparks von der Steiermärkischen Landesregierung erhalten hatte, erhob die Umweltanwältin dagegen Beschwerde. Die von der Behörde vorgenommen Interessenabwägung zwischen den öffentlichen Interessen am Bau des Windparks und den Interessen des Naturschutzes sei unzulässig gewesen. Das Bundesverwaltungsgericht wies in Folge die Beschwerde ab, wogegen die Umweltanwältin Revision erhob. In dieser brachte sie vor, dass im Rahmen der naturschutzrechtlichen Interessenabwägung Klimaschutz und Naturschutz, aufgrund der Gleichrangigkeit der beiden Interessen, nicht gegeneinander abgewogen werden können. Im vorliegenden Fall bestehe kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Umsetzung des Vorhabens, weshalb die Errichtung des Windparks zu versagen gewesen sei.

Der VwGH setzte sich aus diesem Anlass mit der naturschutzrechtlichen Interessenabwägung nach dem Steiermärkischen Naturschutzgesetz auseinander. Er hielt dabei fest, dass eine Interessenabwägung dann gesetzmäßig ist, wenn sie Feststellungen über die Tatsachen enthält, aufgrund derer gewisse Interessen bestehen, sowie über die Auswirkungen des Vorhabens auf eben diese Interessen und darüber, worin das öffentliche Interesse an der Umsetzung des Vorhabens besteht. Anschließend sind die Argumente für und gegen ein Vorhaben umfassend und präzise einander gegenüberzustellen. Zu der Frage, wie Klimaschutz gegenüber Naturschutz abzuwägen ist, hielt der VwGH fest, dass eine solche Abwägungsentscheidung nicht auf einer abstrakten Ebene, sondern auf das konkrete Vorhaben bezogen zu treffen ist. Es kann daher auch nicht behauptet werden, dass eine Gleichwertigkeit der Ziele eine Abwägung verunmöglicht. Die Abwägungsmöglichkeit ist vom jeweiligen Einzelfall abhängig. Im vorliegenden Fall setzte sich das BvWG mit den relevanten Auswirkungen des Vorhabens auseinander und bejahte ein Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Umsetzung. Daher wies der VwGH die Revision ab.

Es kann festgehalten werden, dass eine Abwägungsentscheidung zwischen naturschutzrechtlichen Interessen und den Interessen des Klimaschutzes nicht auf einer abstrakten Ebene zu erfolgen hat. Vielmehr müssen die konkreten Umstände des Einzelfalls und deren positiven und negativen Auswirkungen bzw. deren Nutzen (z.B. produzierte Strommenge) einander gegenübergestellt werden. Nach strittiger Rechtsprechung des VwGH besteht an der Erhöhung des Anteils der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und der Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit kostengünstiger Energie ein öffentliches Interesse. Hinsichtlich der Errichtung von Windkraftanlagen sind besonders die Standortvoraussetzungen und damit die Eignung eines Standortes für die Gewinnung von Energie aus Windkraft relevant.

VwGH: Nationale Regelung über Wiederverleihung von Wasserbenutzungsrechten nicht unionsrechtswidrig (VwGH 26.01.2023, Ra 2020/07/0068)

Einen Anspruch auf die Wiederverleihung eines Wasserbenutzungsrechtes hat gemäß den Bestimmungen des Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG) nur der bisher Berechtigte. Dritten steht die Antragstellung nicht offen.

Ein italienisches Unternehmen beantragte 2018 die Wiederverleihung eines Wasserbenutzungsrechts für eine in Österreich gelegene Wasserkraftanlage. Das Benutzungsrecht für die Anlage war jedoch dinglich mit einem Grundstück verbunden, welches im Eigentum einer anderen Gesellschaft stand. Infolgedessen wurde der Antrag von der Behörde zurückgewiesen und eine dagegen erhobene Beschwerde vom Verwaltungsgericht mit der Begründung, dass nur der bisher Berechtigte einen Anspruch auf die Wiederverleihung hat, abgewiesen. Die italienische Gesellschaft erhob Revision an den VwGH. In dieser brachte sie vor, dass die „protektionistische Ausgestaltung des WRG“ den Marktzutritt von Unternehmen anderer Mitgliedstaaten verhindere und damit gegen Unionsrecht verstoße. Der VwGH teilte diese Ansicht nicht.

Laut VwGH können sich für die Revisionswerberin aus der beantragten Zulassung des Antrags auf Wiederverleihung eines Wasserbenutzungsrechtes keinerlei Vorteile gegenüber einer mit einem Enteignungsbegehren verbundenen Neubeantragung einer Bewilligung zum Betrieb einer Wasserkraftanlage ergeben. Weiters führte er aus, dass eine abweichende Auslegung oder Nichtanwendung der Bestimmung im WRG somit gar nicht geeignet wäre, die vorgebrachte Unionsrechtswidrigkeit zu beseitigen. Die behaupteten Marktzutrittshemmnisse seien nicht Folge der Regelung im WRG, sondern in den Eigentumsverhältnissen betreffend der für die Erzeugung von Energie aus Wasserkraft genutzten Liegenschaften begründet. Außerdem sei die EU-Dienstleistungsrichtlinie nach ständiger Rechtsprechung des EuGH auch nicht auf die Erzeugung elektrischer Energie anwendbar, denn die Erzeugung elektrischer Energie ist nicht als Dienstleistung im Sinne des Art. 57 AEUV zu qualifizieren. Die Revision war somit abzuweisen.

Gewährung des vorrangigen Netzzugangs auch für Hybridanlagen? (EuGH 20.04.2023, C‑580/21)

Betreiber von Übertragungsnetzen sollen beim Abrufen von Elektrizitätserzeugungsanlagen jenen Erzeugungsanlagen Vorrang gewähren, in denen erneuerbare Energiequellen eingesetzt werden. Damit soll möglichst die gesamte aus erneuerbaren Energiequellen erzeugte Strommenge verwendet werden können. Allerdings immer unter Bedachtnahme auf den sicheren und zuverlässigen Betrieb des nationalen Elektrizitätssystems.

In casu wurde dem EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens die nicht triviale Frage vorgelegt, ob der Vorrang bei der Stromeinspeisung auch solchen Erzeugungsanlagen zu gewähren ist, die Strom sowohl aus erneuerbaren als auch aus herkömmlichen Energiequellen erzeugen. Zu den Schlussanträgen von Generalanwalt Rantos in der Rechtssache C-580/21 haben wir damals bereits ausführlich berichtet.

Das Ziel der größtmöglichen Ausschöpfung des aus erneuerbaren Energiequellen erzeugten Stroms und einer anhaltenden Steigerung seiner Verteilung könnte gefährdet sein, wenn eine Stromerzeugungsanlage, die nicht ausschließlich erneuerbare Energiequellen einsetzt, deshalb einer Anlage gleichgestellt werden würde, die überhaupt keine erneuerbaren Energiequellen nutzt, und infolgedessen den Vorrang verlieren würde. Der EuGH entschied daher, dass der vorrangige Zugang auch jenen Anlagen zu gewähren ist, die Strom nicht ausschließlich, aber zumindest partiell aus erneuerbaren Energiequellen erzeugen.

Die Stromerzeugungsanlagen können in drei Gruppen eingeteilt werden: Die erste Gruppe besteht aus denjenigen Anlagen, die ausschließlich erneuerbare Energiequellen einsetzen. Die zweite Gruppe stellt die Anlagen dar, die ausschließlich herkömmliche Energiequellen verwenden. Der dritten Gruppe gehören Erzeugungsanlagen an, die einen Mix aus erneuerbaren und herkömmlichen Energiequellen nutzen. Der ersten Gruppe ist stets der vorrangige Zugang für die gesamte von ihnen erzeugte Strommenge zu gewähren. Die zweite Gruppe hat folgerichtig nie Anspruch auf den Vorrang. Bei den Hybridanlagen der dritten Gruppe ist die Reihenfolge je nach Umfang des Anteils an erneuerbaren Energiequellen zu bestimmen. Der Vorrang ist allerdings nur für den Anteil zu gewähren, der aus erneuerbaren Energiequellen stammt.

Es lässt sich zusammenfassend festhalten, dass der vorrangige Zugang zum Stromnetz nicht nur Anlagen zu gewähren ist, die ausschließlich aus erneuerbaren Energiequellen erzeugen, sondern auch denjenigen, die dies nur teilweise tun und damit einen Mix aus erneuerbaren und herkömmlichen Energiequellen verwenden. Innerhalb dieser Hybridanlagen gilt der Vorrang nur für denjenigen Teil der Erzeugung, der tatsächlich aus erneuerbaren Quellen stammt und es ist eine Reihung nach dem Umfang des Anteils an erneuerbaren Energie vorzunehmen.

Kaleb Kitzmüller

Mag. Kaleb Kitzmüller, LL.M. (Amsterdam) ist Rechtsanwalt mit den Tätigkeitsschwerpunkten Energievertragsrecht, Corporate/M&A, Immobilienrecht und Klimaschutzrecht.

Alexander Gimona

Alexander Gimona, LL.B. (WU) ist juristischer Mitarbeiter bei Haslinger / Nagele Rechtsanwälte.


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