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Scheiden tut weh, Grundversorgung ade?

Johannes Hartlieb, Emil Nigmatullin | 13.11.2023

pixabay by AshrafChemban

Es ist relativ ruhig geworden um die Grundversorgung, die vor circa einem Jahr noch in aller Munde war. Die Grundversorgung erschien als verlockende Lösung aller Energiepreis-Probleme, indem die Versorger verpflichtet werden, Haushaltskunden Energie (Strom, Gas) zu vergleichsweise niedrigen Preisen anzubieten. Nun befasst sich der Verfassungsgerichtshof mit den gesetzlichen Regelungen zur Grundversorgung und hat in seinem Beschluss vom 3. Oktober bereits erkennen lassen, dass mit der Aufhebung dieser Regelungen zu rechnen ist.

Ausgangslage

Die Regelungen im ElWOG 2010 und im GWG 2011 zur Grundversorgung sehen – in Umsetzung von Unionsrecht – vor, dass Strom- und Gasversorger gegenüber (sämtlichen) Verbrauchern und Kleinunternehmen zur Leistung einer „Grundversorgung“ mit Strom bzw. Erdgas verpflichtet sind. Diese – auf einen Kontrahierungs- und Leistungszwang hinauslaufende – Pflicht zur Grundversorgung wird durch eine Preisgestaltungsregelung konkretisiert. Der Tarif der Grundversorgung für Verbraucher darf nicht höher sein als jener Tarif, zu dem die größte Anzahl der Verbraucher bzw. Kunden des jeweiligen Unternehmens versorgt werden.

In der Praxis bereitet die Auslegung dieser Regelungen, insbesondere jener zur Preisgestaltung, erhebliche Unsicherheiten. Aus Anlass mehrerer Beschwerden und Anträge (auch von Lieferanten und Versorgern) prüft der Verfassungsgerichtshof nunmehr die Verfassungskonformität dieser Regelungen. Dies auch vor dem Hintergrund der unionsrechtlichen Grundlagen, die zwischen einer Grundversorgung aller Haushaltskunden (und allenfalls von kleinen Unternehmen) und der Versorgung besonders schutzbedürftiger Kunden unterscheiden. Die österreichische Regelung sieht eine derartige Unterscheidung jedoch nicht vor, jedenfalls nicht explizit.

Insbesondere dürfte die nach vorläufiger Auffassung des Verfassungsgerichtshofes die in § 77 Abs. 2 Satz 1 ElWOG 2010 vorgesehene Preisregelung unionsrechtlich so nicht geboten sein.

Verfassungsgerichtshof

Bedenken des Verfassungsgerichtshofes

Auf das Wesentliche zusammengefasst hegt der Verfassungsgerichtshof zunächst Bedenken an der Klarheit der Preisgestaltungsregelung. Es sei insbesondere unklar, ob neben den aktuellen (im Moment tendenziell teureren) Neukundentarifen für Strom und Erdgas auch die (im Moment tendenziell günstigeren) Tarife von Bestandskunden zu berücksichtigen sind oder ob allenfalls nur die Tarife für Neukunden zur Preisfestsetzung heranzuziehen sind. Die Energieregulierungsbehörde E-Control ist (bisher) der Ansicht, dass die Tarife für (alle) Bestandskunden heranzuziehen sind. Ein Kunde, der sich auf die Grundversorgung beruft, bekäme seine Energie folglich zu einem günstigeren Preis als Kunden, die einen Neukundenvertrag außerhalb der Grundversorgung abschließen.

Daneben hegt der Verfassungsgerichtshof vorläufige Bedenken dahingehend, dass die österreichischen Regelungen zur Grundversorgung nicht auf die Schutzbedürftigkeit der Kunden abstellen. Den Versorgern wird unterschiedslos ein Kontrahierungs- und Leistungszwang auferlegt, ohne dass dies in jedem Fall sozialpolitisch gerechtfertigt ist. Damit wäre – so der Verfassungsgerichtshof – diesen Unternehmen eine unverhältnismäßige Verpflichtung auferlegt.

Schließlich hat der Verfassungsgerichtshof vorläufig allgemein das weitere Bedenken, dass die in Prüfung gezogene Regelung der Grundversorgung in sich unsachlich ausgestaltet sein dürfte, weil sie eine hinreichende klare Festlegung … vermissen lassen dürfte.

Verfassungsgerichtshof

Ausblick

Die vom VfGH vorläufig formulierten Bedenken sprechen dafür, dass die bestehenden Regelungen der Grundversorgung aufgehoben und vom Gesetzgeber angepasst werden müssen. Es wäre naheliegend, den europäischen Vorgaben zu folgen und zwischen einer allgemeinen Grundversorgungsregelung (ohne Preiseingriff) und der Versorgung schutzbedürftiger Kunden zu differenzieren.

Erfolgt eine Aufhebung, stellt sich die Frage, welche Auswirkungen dies auf bestehende Vereinbarungen auf Basis der Grundversorgung, insbesondere im Hinblick auf den Tarif, hätte. Je nach vertraglicher Ausgestaltung und nach Maßgabe der – auch speziell für den Energiebereich geltenden – zivilrechtlichen Schutzvorschriften kann etwa eine an der bereinigten Rechtslage orientierte Neupreisgestaltung in Frage kommen.

Johannes Hartlieb

Johannes Hartlieb

Dr. Johannes Hartlieb, BSc ist Rechtsanwalt und auf Regulierungs-, Vergabe- und Wettbewerbsrecht spezialisiert.

Emil Nigmatullin

Mag. Emil Nigmatullin ist Rechtsanwaltsanwärter bei der Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH.


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