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Anwendung von Energiewende-Privilegien bei Hybridanlagen?

Johannes Hartlieb, Emil Nigmatullin | 26.11.2022

roberto_bellasio on pixybay

„Energiewende-Privilegien“ finden sich mittlerweile allerorts in der Rechtsordnung: Zu denken ist an Genehmigungsfreistellungen für PV-Anlagen oder Netzanschlusserleichterungen für kleinere Ökostromanlagen. Auch die Ökostromförderungen selbst lassen sich in diese Kategorie einordnen.

Auch die jüngst veröffentlichten Schlussanträge von Generalanwalt Rantos in der Rechtssache C-580/21 („EEW vs MNG“) betonen eine gewisse Technologieoffenheit in Bezug auf die Anwendung von Energiewende-Privilegien – wie den erwähnten vorrangigen Netzzugang für erneuerbare Erzeugungsanlagen – bei sogenannten Hybridanlagen. Das zugrundeliegende Regelwerk stellt dabei die Richtline über erneuerbare Energien dar, über deren Weiterentwicklung wir jüngst berichtet haben, bzw. spezielle Anschluss- und Vergütungsprivilegien für Ökostromanlagen in den deutschen Umsetzungsgesetzen. Im Zentrum der Entscheidung steht die Frage, ob die Privilegien nur für Anlagen, die ausschließlich erneuerbare Energieträger nutzen, gelten sollen.

Ausgangslage und Vorlagefrage

Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der EEW Energy from Waste Großräschen GmbH als Stromerzeuger und der MNG Mitteldeutsche Netzgesellschaft Strom GmbH als Netzbetreiberin. Während erstere eine thermische Abfallverwertungsanlage betreibt, mit der sie Strom und Wärme aus Industrie- und Haushaltsabfällen, die vor der Verbrennung gemischt werden und einen biologisch abbaubaren Anteil enthalten, erzeugt, ist letztere die zuständige Übertragungsnetzbetreiberin. Die EEW begehrt gegenüber der MNG einen Entschädigungsanspruch infolge der Reduzierung ihrer kontrahierten Stromeinspeisung aufgrund von Netzengpässen.

Rechtlicher Hintergrund ist, dass die „alte“ Fassung der Erneuerbare-Energie-RL einen vorrangigen Netzzugang für Erzeugungsanlagen, die erneuerbare Energiequellen einsetzen, vorsah. Da die Erzeugungsanlage der EWW nicht ausschließlich erneuerbare Energiequellen einsetzt, sondern die thermisch zu verwertenden Abfälle einen variablen Anteil biologisch abbaubarer Abfälle aus Industrie und Haushalten enthalten, stellt sich die Frage, ob der vorrangige Netzzugang nicht nur Anlagen gewährt werden muss, die Strom ausschließlich aus erneuerbaren Energiequellen erzeugen, sondern auch solchen, deren Strom durch die thermische Verwertung von gemischten Abfällen, die einen Anteil biologisch abbaubarer Abfälle aus Industrie und Haushalten enthalten, gewonnen wird.

(Vorläufige) Ergebnisse

Der Generalanwalt kommt in seinen Schlussanträgen im Wesentlichen zu folgenden Ergebnissen:

  • Dass in einer thermischen Abfallverwertungsanlage Strom teilweise aus nicht biologisch abbaubaren Industrie- und Haushaltsabfällen erzeugt wird, steht dies dem Recht des Betreibers der Erzeugungsanlage auf vorrangigen Netzzugang grundsätzlich nicht entgegen.
  • Es gibt keinen „Mindestanteil“ an eingesetzten erneuerbaren Energiequellen oder eine diesbezügliche „Erheblichkeitsschwelle“ die Frage des Bestehens eines vorrangigen Netzzugangs. Der vorrangige Netzzugang besteht aber nur in dem Ausmaß, in dem der Strom aus dem biologisch abbaubaren Anteil der eingesetzten Abfälle aus Industrie und Haushalten erzeugt wird, weil nur solche nach der Erneuerbare-Energie-Richtlinie als „erneuerbar“ gelten.
  • Es ist Sache der Mitgliedstaaten, transparente und nicht-diskriminierende Kriterien zur Festlegung der Modalitäten für die Anwendung des vorrangigen Zugangs auf eine Erzeugungsanlage mit gleichzeitig erneuerbaren und nicht-erneuerbaren Anteilen aufzustellen. Hierbei wird den technischen und zeitlichen Modalitäten der Erzeugung von „Ökostrom“ im Einzelfall Rechnung zu tragen sein.
  • Ein vorrangiger Netzzugang für solche Hybridanlagen besteht nur dann, wenn der sichere Betrieb des nationalen Elektrizitätssystems dies zulässt.

Implikationen

Die Schlussanträge in der Rechtssache C-580/21 zeigen, dass die Anwendung von Energiewende-Privilegien bei hybriden Anlagen (Anlagen mit gleichzeitig erneuerbaren und nicht-erneuerbaren Anteilen) geboten ist. Eine pauschale Verweigerung eines vorrangigen Netzzugangs aus dem Grund, dass in der betroffenen Erzeugungsanlage auch Strom aus nicht erneuerbaren Energiequellen erzeugt wird, ist somit nicht möglich. Grenzen erfährt das Recht auf vorrangigen Netzzugang durch das Erfordernis der Gewährleistung der Sicherheit des nationalen Elektrizitätssystems; die Beurteilung dieser Sicherheitserfordernisse liegt naturgemäß in der Hand der Übertragungs- und Verteilernetzbetreiber.

Johannes Hartlieb

Johannes Hartlieb

Dr. Johannes Hartlieb, BSc ist Rechtsanwalt und auf Regulierungs-, Vergabe- und Wettbewerbsrecht spezialisiert.

Emil Nigmatullin

Mag. Emil Nigmatullin ist Rechtsanwaltsanwärter bei der Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH.


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